Kein Auto

Die Diskussion um die Rettung von Opel und den Notstand der deutschen Autoindustrie veranlasst mich, hier öffentlich zu bekennen, dass ich keine Auto mein eigen nennen kann.


Ich weiss, das macht mich verdächtig. Bin ich überhaupt noch kreditwürdig? Wie ist mein Status sozial einzuordnen? Dürfen Mercedes-Fahrer noch den Umgang mit mir pflegen? Wann hat der soziale Abstieg dieses Menschen eigentlich begonnen? usw.


Das ist die eine Variante der Interpretation des genannten Fakts. Die andere ist, dass ich wahrscheinlich zu den Leuten gehöre, die in den letzten Jahren ihre Bewertungen des Konsums bzw. bestimmter Konsumgüter verändert haben.


Das letzte Auto, das ich gekauft (richtiger: geleast) hatte, war wunderschön, gut zu fahren, komfortabel, bei 200 km/h auf der Autobahn konnte man noch klassische Musik hören und genießen. Von Heidelberg nach Witten in zwei Stunden (mein Rekord).


Aber das war in einer Zeit, als ich noch gern lange Strecken mit dem Auto fuhr. Jetzt tue ich das nicht mehr, sondern ziehe die Bahn (trotz Mehdorn) und den Flieger vor. Als ich feststellte, dass ich in anderthalb Jahren nur noch 400 km mit meiner Luxuslimousine gefahren bin, habe ich mich - schweren Herzens - von ihr getrennt. Aber es machte wirklich keinen Sinn, sie sonntags wie einen Hund Gassi zu führen, nur damit die Batterie aufgeladen bleibt.


Jetzt nutze ich öffentliche Verkehrsmittel (was mir unendlich viel Stoff für die Kehrwoche verschafft), fahre ausgiebig Taxi (was ich mir angesichts des am eigenen Auto gesparten Geldes ganz ohne Skrupel leisten kann, wann immer ich keine Lust auf Leute habe oder zu faul zum Laufen bin), suche keinen Parkplatz mehr (was meine positiv erlebte Lebenszeit schon jetzt um Jahre verlängert hat) und ich spare Geld, verpeste die Luft weniger und, und, und...


Nun bin ich kein ausgewiesener Weltverbesserer, sondern lediglich ein bequemer und - manchmal - ökonomisch denkender Mensch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ein Einzelfall bin. Daher kann ich mir auch nicht vorstellen, dass wir nicht vor einer Revolution in Bezug auf die Automobil-Industrie stehen...