Kehrwoche, die Zweite...

Nun habe ich also nochmal die Ehre, für die Kehrwoche zu schreiben! Es ist schon über ein Jahr her, dass meine Beiträge veröffentlicht wurden. Ich war kurzzeitig versucht, die Texte vom vergangenen Jahr zu lesen, lasse es dann aber doch. Jetzt ist jetzt. Interessant ist allerdings, wie sich meine Aufmerksamkeit in den vergangenen drei Wochen, seit ich mich bereit erklärt habe zu schreiben wieder fokussiert hat auf Aspekte, meiner Wahrnehmung, meines (systemischen?) Lebens, die möglicherweise "mitteilungswürdig" sind. Ich frage mich: "Was hat mich in den letzten Wochen eigentlich am meisten beeindruckt?. Mit welchen Fragestellungen war ich am meisten beschäftigt?" Und ich stelle fest, dass sich für mich gerade Vieles um die Frage dreht: "Was macht (mich) glücklich? Was bereichert mein Leben? Geht es im Leben um das große Glück? Oder findet Glück "im Kleinen" statt? Ist Glücklichsein eine Frage der Brille, die ich gerade trage? Die Konstruktivistin in mir antwortet mit einem eindeutigen Ja! Allerdings sind gerade auch die "äußeren" Faktoren meines Lebens nahezu optimal. Ich traf also vor einigen Tagen die Entscheidung, mich dem was Glück oder Glücklichsein ausmachen könnte im Rahmen der Kehrwoche etwas mehr anzunähern.

Aus diesem Grund wollte ich heute morgen früh aufstehen, mir schlaue Gedanken machen, noch vor der beruflichen Arbeit...stattdessen habe ich zum ersten Mal seit 20 Jahren verschlafen! Ich musste dann sehr schnell aufbrechen, um noch einigermaßen pünktlich zu einem Arbeitskreis zu erscheinen, der seit Jahren zusammenarbeitet und sich mit sexualpädagogischen Schulprojekten beschäftigt. Da wir gemeinsam mit dem Auto zu einem Tagungshaus fahren wollten und ich kein Handy dabei habe, war es eigentlich dringend nötig, pünktlich zu sein. Unterwegs stelle ich fest, dass ich mich was die Gehstrecke betrifft, zeitlich völlig verschätzt habe. Ich komme also 15 Minuten zu spät. Um nun die Kurve zum Glück zu bekommen: Früher hätte ich mich selbst sehr nervös gemacht, vermutlich mit inneren, selbstabwertenden Dialogen oder indem ich mir ausgemalt hätte, noch auf dem Weg, wie wütend meine KollegInnen auf mich sein werden etc.; heute hingegen bin ich sehr gelassen, keinerlei "negative" Gedanken oder Gefühle. Ich ärgere mich nicht darüber, dass ich nun mal nicht schneller laufen kann, als ich laufen kann. Ich denke: "Ach, die werden auch ohne mich gut arbeiten können!" Male mir sogar aus - aber nur kurz - wie schön ich mir diesen Tag gestalten kann, wenn es jetzt tatsächlich, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln keine Möglichkeit mehr gibt, zu den anderern zu stoßen...Als ich am vereinbarten Treffpunkt ankomme, bin ich seltsamerweise die zweite, alle anderen sind noch gar nicht da, also noch später als ich! Es wird ein angenehmer, anregender Arbeitstag, der von Begegnung und Humor geprägt ist. Auch im Hinblick auf meinen heutigen Beitrag zur Kehrwoche, den ich heute morgen verfasst haben wollte, fühle ich mich nicht unter Druck oder beunruhigt. Ist das schon Glück? Sich einen ganzen Tag lang mit keinem einzigen "negativen" Gedanken herumzuschlagen?

Ich höre sehr gerne Hörbücher jeglicher Art. Am meisten hat mich in der letzten Zeit Hape Kerkelings Buch " Ich bin dann mal weg!" , beeindruckt und berührt. In Anlehnung an seine Art Tagebuch zu schreiben, werde ich in dieser Woche auch an jedem Tag eine "Erkenntnis des Tages" formulieren. Die heutige ist: Führe freundliche Dialoge mit dir selbst - sich über sich selbst zu ärgern bringt meist sowieso keine positive Veränderung.