Kapitulation

Der 8. Mai 1945 war der Tag der deutschen Kapitulation.


Meine Lehrer in der Schule (50er/60er Jahre) wirkten immer etwas ambivalent, wenn sie darüber sprachen (viele alte Nazis). Aber es gab doch immer auch einige, die dies als einen Tag ansahen, der grundlegend für den Erfolg Deutschlands und die deutsche Identität war - und ein Grund zum Feiern.


"Niederlagen" zu feiern, scheint auf den ersten Blick ja etwas merkwürdig. Wenn man aber genauer hinschaut, dann zeigt gerade die deutsche Kapitulation, welches Potential in einer Kapitulation steckt:


Man braucht, und das ist natürlich auf den ersten Blick ersichtlich, nicht mehr zu kämpfen. Daher kann man seine Energien auf Produktiveres und/oder Lustvolleres richten... (Folge in der BRD: das "Wirtschaftswunder").


Die Rolle des Gewinners ist meistens mit einem sehr hohen Preis zu bezahlen (schon der Versuch, sie zu erhalten, ist teuer, da der Gegner - der potentielle Verlierer - ja durch seine Kapitulation bzw. ihre Verweigerung bestimmt, wie lange gekämpft werden muss).


Die Idee, durch Kriege etwas gewinnen zu können, gehört nicht mehr zur DNA der deutschen Nachkriegskultur.

Wir haben den paradoxen Effekt gesehen und erlebt, dass es den Deutschen wahrscheinlich - was die persönlichen Lebensverhältnisse und auch das öffentliche Leben betrifft - nie besser ging, als nach Akzeptieren der Niederlage, nach dem Abschied von allen Weltbeherrschungsphantasien.


Die "Größe" Deutschlands verdankt sich zu einem guten Teil der Einsicht in die eigene Kleinheit. Es gibt - wenn man von der Idee Abstand nimmt, dass einem morgen die ganze Welt gehören könnte, immer noch genug zu tun... den Rasen zu mähen, Autos zu bauen, Wissenschaft zu betreiben, zu musizieren, mit den Kindern zu spielen usw. - alles Aktivitäten, die ein günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis aufweisen als das Kriegführen.