Jung, Spielrein, Freud

David Cronenberg, der sich als Filmregisseur über lange Jahre einer Version des Horror- oder auch Science-Fiction-Films angenommen hatte, in dem es um körperlliche Veränderungen geht, die eng mit der Bedrohung der individuellen Identität verbunden sind (z.B. eXistenZ) und die beim Zuschauer (zumindest bei mir) ziemliche Ekelgefühle auslösen, hat einen Film über C.G.Jung, seine Patientin/Geliebte Sabina Spielrein und Sigmund Freud gedreht ("Eine dunkle Begierde").


Ein sehenswerter Film, wie ich finde. Es gibt nur ein wenig körperliche Gewalt (für Cronenbergs Maßstäbe nur harmlos: Auspeitschen im Schlafzimmer), dafür aber einen Blick in die Anfangsjahre der Psychoanalyse bzw. der psychoanalytischen Bewegung.


Ob das alles "wirklich" so war, wie dargestellt, weiss natürlich niemand. Aber eine gewisse Plausibilität hat die Story schon.


Da gibt es die zunächst enge, dann immer distanziertere Beziehung zwischen Freud und Jung. Und sie mag wirklich etwas damit zu tun haben, dass Jung einen Hang zum Übersinnlichen hatte (zum Sinnlichen auch, wie die Beziehung zu Spielrein zeigte), während Freud geradezu rührend um die wissenschaftliche Sauberkeit seiner Methode kämpfte. Und auch ein gewisser Neid Freuds auf die gute finanzielle Versorgung Jungs durch seine wohlhabende Ehefrau könnte eine Rolle gespielt haben.


In den Personen der beiden, so wie sie gezeichnet sind, zeigen sich auch Merkmale der künftigen Schulenbildung. Vor allem bei Freud war deutlich (und wurde von Jung im Film formuliert), dass er seinen Anhängern ein merkwürdiges Beziehungsangebot machte (und heute immer noch potentiellen Analytikern gemacht wird). Jung (d.h. Cronenberg) formuliert es nach einer Sitzung der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung folgendermaßen: "Er (Freud) behandelt seine Freunde wie Patienten (...)."


Damit sind die Rollen klar, wer Analytiker und wer Analysand ist und um wessen Neurose es geht. Das führt zu den bekannten Spielen unter Analytikern, sich gegenseitig niederzuanalysieren.


Aus systemisch-therapeutischer Sicht ein inakzeptables Beziehungsmuster. Nicht nur, aber vor allem, wenn es sich um nichttherapeutische Beziehungen handelt, sondern um die zwischen Kollegen, Freunden, Nachbarn... (ich gebe zu, dass ich das auch gelegentlich tue, aber nur - und ganz bewußt - in feindlicher und aggressiver Absicht, der professionellen Unangemessenheit meines Verhaltens sicher, aber auch des damit verbundenen Lustgewinns gewiß...).


Wer auch noch im Film vorkam: Eugen Bleuler, der Chef von Jung im Burghölzli, und historisch gesehen als Erfinder der Schizophrenie wahrscheinlich der einflußreichste der drei Kollegen.