Ist reflektieren sexy?

Bevor ich ins Thema einsteige bitte ich um Aufmerksamkeit für das selbstreferenzielle Gewinnspiel – Wie viele sind wir?.


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Wer es gewinnt, erhält den Film über das Forschungsprojekt zu Systemaufstellungen "Vertraute Sprache und ihre Entdeckung" (VHS-Version) gratis zugeschickt. Es geht dabei schlicht darum, abzuschätzen, wie viele Teilnehmer/Leser momentan an diesem Forum beteiligt sind. Auf diesem Weg wird aber auch das Selbstbild dieses Kommunikations-Forums transparent gemacht.


Spielregeln: Raten Sie einfach die Anzahl derer, die ab heute bis zum Samstag den 30.7.05 – 24 Uhr in diesem Forum einen Kommentar absetzen. Wer mehrmals kommentiert, wird für das Spiel aber nur einfach gezählt. Gewonnen hat, wer die hinterher sich herausstellende Teilnehmeranzahl als Erste/r richtig geraten hat. D.h. eine Zahl, die bereits jemand anderes geraten hat, lohnt sich nicht nochmal hier anzugeben. Die Teilnahme geht so: vervollständigen Sie den folgenden Satz einfach als Kommentar, in dem Sie schreiben: GEMÄSS MEINEM BILD VON UNS SIND WIR –...–


Ich selbst gehe mit 'gutem' Beispiel voran und lege mich als Erster fest:

GEMÄSS MEINEM BILD VON UNS SIND WIR –17–.

Ich werde am Ende meiner zukünftigen Beiträge immer den aktuellen Stand und die bereits ver-ratenen Zahlen bekannt geben:

TEILNEHMER: –1– VER-RATENE ANZAHLEN: –17–.

Dies Gewinnspiel ist ja auch eine Verfahrensweise der Selbstreflektion, die wie jede Selbstreflektion nie 'reine' Analyse sein kann, sondern die den rekursiven Prozess der Kommunikation, den sie sichtbar machen soll, unvermeidlich verändert. Und ich bin gespannt, was hier daraus folgen wird.


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Nun will ich aber noch zu meinem 'Lockvogel' zurückkommen, zu der Frage: Ist reflektieren sexy?

Ich beabsichtige anhand dieser Frage darüber nachzudenken, was explizite Reflektion in einer Kommunikation eigentlich bringt oder nicht bringt. Man könnte ja bei sich selbst die vielleicht unbewußte Auffassung bemerken: Je mehr Reflektion desto sexy, oder allgemeiner: Je mehr Reflektion desto gut (in Anlehnung an die in den 60er Jahren gängige Witzform in der Kommunikation von Jugendlichen: "Was ist der Unterschied zwischen dem Krokodil? – Je grüner desto schwimm"). Also die implizite Auffassung, dass explizite Reflektion in der Kommunikation immer auch mit einer Steigerung einher gehe, die positiv zu bewerten sei. Ich verhehle nicht, dass ich selbst zu solch einer Auffassung tendier(t)e und glaube, dass ich diese implizite Auffassung mit den meisten anderen Menschen mit Beraterberuf teile.


Wenn wir das auf Sexualität anwenden, kann's aber lustig werden. Man stelle sich ein Paar im Liebesspiel vor, die permanent reflektieren, was sie jeweils gerade tun. Ich möchte das hier nicht weiter ausmalen, um Ihren eigenen Ausmalungen nicht vorzugreifen. Ich selbst komme bei meinen Phantasien zu dem Ergebnis, dass eine solche Praxis durchaus enorm sexy sein kann, sie kann aber auch final abtörnen und auf die Nerven gehen.


Es scheint demnach auf jeden Fall so zu sein, als könne man Kommunikation auch nicht durch explizit reflektierende Kommunikation auf kontrollierende Weise steuern – Nebenbei bemerkt operiere ich schon wieder (vergl. meine Ausführungen der letzten Tage) mit der Unterscheidung explizit/implizit, das Potenzial dieser Unterscheidung habe ich hier wohl noch längst nicht ausgeschöpft. Das wird mir auch heute nicht gelingen, aber soviel scheint mir klar. Im Falle von Mißverstehen kann explizit reflektierende Kommunikation die Wahrscheinlichkeit steigern, dass Verstehen doch noch stattfindet. Und wenn alle Teilnehmern an der Kommunikation in ähnlicher Weise Mißverstehen konstatieren, so ist damit auch die Bereitschaft wahrscheinlich, dass von diesem Konsens ausgehend versucht wird, die Kommunikation durch Reflektion doch noch in Verstehen münden zu lassen.


Solange also Verstehen allseits konstatiert wird, ist explizite Reflektion m.E. überflüssig und würde wahrscheinlich als nervend erlebt.

Das eben hinzugefügte 'm.E.' ist aber wichtig, um beispielsweise in Unternehmen tournusgemäß ergebnisoffene Verfahrensweisen der Kommunikation zu begründen, die wie qualitätssichernde Maßnahmen durchgeführt werden können, um Mängel in der Kommunikation aufzudecken, die anders nicht aufgedeckt werden könnten, und um diese Mägel zu beheben. Dieser Gedanke kann durchaus auch auf andere Kommunikationsbeziehungen angewendet werden.


Von Rilke habe ich den Gedanken: Lebe die Frage, dann lebst du vielleicht eines fernen Tages in die Antwort hinein – und so mache ich es nun auch,

mit herzlichem Gruß

Peter Schlötter