Indische Spessarteiche

Mein letzter Tag der Kehrwoche. Eigentlich wollte ich gestern noch soviel erledigen, arbeiten, planen. (Das Thema "Zeit" zieht sich durch fast alle meine Beiträge, stelle ich rückblickend fest.) Nächte Woche fahre ich nach Piran - Slowenien zu einem Seminar mit Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibed, wollte mich noch "irgendwie"darauf vorbereiten.

Dann rief gestern Mittag eine Freundin aus Hamburg an, um mich spontan zu besuchen. Erst sage ich ihr ab: "Muß noch soviel tun...noch was Schlaues schreiben für die Kehrwoche...hab nicht aufgeräumt, nicht eingekauft...Noch während des Telefonats dachte ich: "Na, so was blödes, für lieben Besuch muss doch Zeit sein! Was habe ich da vorhin geschrieben, Zeitmangel ist eine Frage der Prioritätensetzung?". Ich mache die Absage rückgängig.


Ich weiß, dass es auch diesmal in Piran schön, gewinnbringend und interessant werden wird. Wozu schon wieder vorbereiten?


Wir, mein Freundin aus Hamburg und ich, gehen also gemeinsam indisch essen. In einem Restaurant, das den Namen "Spessarteiche" trägt.

Das Mobiliar, bayerische Eichefurnier-Eckbänke, passt zum Namen und wurde vom indischen Pächter wohl vom Vorpächter so übernommen. Allerdings mit indischen Accsessoires kombiniert (Plastikblumen, indische Stoffe an den Wänden...). Eine recht eigenwillige Integration unterschiedlicher Kulturen, aber witzig. Die Musik muss ebenfalls vom Vorpächter stammen. Dieser hat anscheinend seine alte Plattensammlung gleich dagelassen. Synthesizerklänge, aus der Frühzeit der Techno-Ära.

Das Essen schmeckt sehr gut und es wird ein gelungener Abend mit viel Gelächter.


In den Nachrichten höre ich abends wieder, dass der Staat, salopp formuliert, pleite ist und dass gesparrt werden müsse. So neu ist das ja nicht. Derzeit halte ich mich, was die politisch-wirtschaftliche Situation betrifft, mit dem Lesen von Büchern mit schönen Titeln wie: "Zukunft sozial: Wegweiser zu mehr Gerechtigkeit" oder "Wider die herrschende Leere - Neue Perspektiven für Politik und Wirtschaft" mental aufrecht. Hier habe ich ein passendes Zitat zur "Sparpolitik" in Deutschland gefunden:

Politik, wie im Fußballstadion: Überall senken die Regierungen die Steuern für Unternehmen, damit diese in ihren Grenzen investieren. Überall bauen die Regierungen soziale Leistungen ab, um die Kosten für die Unternehmen zu senken. Daraus resultiert ein Teufelskreis nach unten. Mit den Steuersätzen sinken die Steuereinnahmen und dies zwingt die Politik zu Einsparungen. Mit abnehmender sozialer Sicherung wächst die Angst der Menschen und das Angstsparen. Aus dem Versuch eines Staates, seine Lage durch Verschlechterung zu verbessern, wird ein kollektives Problem. Die Politik läuft ab, wie die berüchtigte Szene in einem Fußballstadion: Ein Zuschauer steht auf, um besser zu sehen - dan sieht er auch besser - allerdings nur so lange, bis alle anderen Zuschauer auch aufgestanden sind. Dann sehen alle wieder gleich schlecht - aber alle müssen stehen." (Hebel, St. ; Kessler, W.; Storz, W. : Frankfurt 2005, S.94)


Nun bin ich also am Ende meiner Kehrwoche angelangt.

Ob meine Überlegungen irgend jemand, außer mir, "etwas gebracht" haben?

Für mich war es eine interessante Erfahrung und hat Spaß gemacht, denn im Grunde stehe ich mit dem web immer noch ein wenig auf Kriegsfuß. Ich bevorzuge die direkte Kommunikation.

Ich stelle fest, dass sich die Art meiner Wahrnehmung in dieser Woche etwas geändert hat und zwar in Richtung mehr Aufmerksamkeit für Alltagsbegebenheiten.


Ich hatte häufig Fragen im Kopf wie:"Was könnte, für andere interessant sein?" oder "Wenn ich jemandem von dieser Situation erzählen wollte, mit welchen Worten würde ich es tun?"

Ich habe eben mal gespickt, was einige meiner "VorkehrerInnen" geschrieben haben, da fällt mir auf, das die Beiträge viel umfangreicher geworden sind, seit Herr Simon im Juni begonnen hat.

Andere Vergleichskriterien kann ich jetzt nicht entwickeln. Sicherlich werde ich auch in Zukunft öfter mal reinschauen in die Kehrwoche, als vorher, denn ich bin neugierig geworden, was andere schreiben, bzw. geschieben haben.


Zum endgültigen Schluss zieht mir jetzt noch die Frage durchs Bewußtsein:"Was ist das bloggen eigentlich genau?" Und muss ich, die in der Kehrwoche verfassten "Texte" in Zukunft, angenommen ich würde mich an einer FH bewerben, als Veröffentlichung bekannt geben?"

Auweia, denke ich, was hab ich da jetzt alles verzapft?


Trotzdem werde ich jetzt zu meiner neu entdeckten "Entspannungstechnik" übergehen - bei einer Kanne Tee Katzen streicheln.