Hybris

Gestern hörte ich in Deutschlandradio Kultur von der UN-Menschenaffenkonferenz GRASP (Great Apes Survival Project) und – wie so oft – bei solchen Meldungen, in denen berichtet wird, wie verzweifelt die Lage für viele bedrohte Tierarten ist und wie viele Tierarten unbeabsichtigt oder beabsichtigt von uns bisher in den letzten Jahren ausgerottet wurden, musste ich unwillkürlich anfangen zu weinen. Über diese starke emotionale Reaktion, die sich bei mir besonders in den letzten Jahren einstellte, bin ich sehr zufrieden. Sie erscheint mir als die einzig adäquate Form auf solche Meldungen zu reagieren. Ich denke an meine Kinder und sehe sie in einer Welt leben, in der es keine Haie, keine Blauwale, keine Menschenaffen, keine Tiger mehr gibt. Das Werk von 13,5 Milliarden Jahren kosmischer Evolution innerhalb weniger Jahre ein für alle mal zunichte gemacht, von einer Spezies, die sich selbst in – so empfinde ich das – einer Art „Selbstmordprogramm“ befindet. Ich schreibe das, weil ich noch Hoffnung habe, dass es nicht dazu kommt und dass wir uns endlich als Beschützer und Diener des Lebens verstehen werden. Ich meine das genau so, wie ich es schreibe, auch wenn es etwas pastoral klingt. Was soll man denn sonst sonntags auch tun?


Noch allerdings verfahren wir nach dem als Segen getarnten destruktiven Fluch „Macht euch die Erde untertan“, den Menschen einem von ihnen selbst konstruierten Gott zuschrieben, um sich mehr Macht und Legitimität zu geben. Was für eine verheerende religiöse Wirklichkeitskonstruktion.


Vielleicht ist es leichter für die Menschen eine von einem konstruierten Gott geschaffene Spezies den Garaus zu machen als ein Geschöpf einer Milliarden Jahre dauernden Evolution? Was in einem Augenblick hervorgerufen werden konnte, kann auch in einem Augenblick wieder zerstört werden.


Auch aus diesem Grunde halte ich insbesondere auf der gesellschaftlichen Ebene religiöse Überzeugungen für äußerst problematisch. Zudem steht hinter all den religiösen Ideen meines Erachtens nichts anderes als das Projekt der Vergöttlichung des Menschen (kann man schon bei Ludwig Feuerbach im „Wesen des Christentums“ nachlesen), ja ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dabei geht es darum, sogar über „Gott“, wie auch immer man ihn konstruiert, zu stehen, einmal indem man ihm Anweisungen geben kann, was er zu tun und zu lassen hat (man nennt das auch „Beten“) und ein andermal ganz direkt und unmittelbar:


Ich habe mich gefragt – da ich aus Franken komme und an einem Karfreitag geboren wurde [zusätzlich noch an einem 20.04. (Hitlers Geburtstag)] dafür prädestiniert – aus welchen Gründen sich Christen als Symbol für ihre Religion und Frömmigkeit das Kreuz gewählt haben. Sicherlich gibt es dafür viele theologische Begründungen und Rechtfertigungen, versucht man die Bedeutung dieses Symbols auf einer unmittelbareren Ebene zu interpretieren, so kann man zu folgendem Schluss kommen: Das Kreuz ist ein Zeichen der Macht des Menschengeschlechts, das es sogar geschafft hat, einen Gott ans Kreuz zu nageln. Es wird gezeigt wie ein Triumph über Gott.