Hitler und andere Wachsfiguren

Im neu eröffneten Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud in Berlin ist (oder besser gesagt: war) auch Hitler ausgestellt. Ob dies statthaft sei, war Thema einer öffentlichen Kontroverse. Jetzt hat ein Mann aus Kreuzberg Hitler den Kopf abgerissen.


Das alles gibt zu denken, oder?


Warum sollte Hitler nicht in ein Wachsfiguren-Kabinett? Wo sonst sollte er denn hin? - drängt sich als Frage auf. Denn ist es nicht ehrenrührig, in solch einem Kabinett ausgestellt zu werden? Da muss man Helmut Kohl wohl recht geben, wenn er auf Schadensersatz klagt, weil er in solch einer Umgebung präsentiert wird.


Ich war, wenn ich mich recht erinnere, in London einmal bei Madame Tussaud und - wiederum unter der Einschränkung, dass dies nicht mein bemerkenswertestes und am besten erinnertes Erlebnis in London war - da schienen mir vor allem Massenmörder und ähnlich großartige Persönlichkeiten ausgestellt.


Mit der Abbildung Hitlers ist es in Deutschland ja offenbar eine besondere Sache. Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, so bin ich mit dem Gefühl aufgewachsen, es gäbe keine Bilder oder Filme mehr von ihm. Sie wären alle ganz systematisch nach der Kapitulation vernichtet worden, war meine feste Überzeugung. Umso überraschter war ich, als in den 90er Jahren der Hitler-Boom ausbrach. Im Fernsehen wurden stundenlang Filme gezeigt, in denen Hitler mit seinem Hund, seiner Nichte, seinen Generalen, seinen Industriellen, seinen Frauen, seinen Soldaten, seinen Parteigenossen, seinen Deutschen, seinem Guido Knopp usw. gezeigt wurden. Diese Filme mussten in den Zeiten, als das Zeigen von Hitlerbildern tabuisiert war, ja irgendwo als "Schatz" gehortet und aufbewahrt worden sein. Zum Schatz wird so etwas allerdings erst durch das Verbot (= Verknappung).


Ich persönlich finde, dass ganz viele Leute auf diese Filmen aussahen, als ob sie aus dem Wachsfigurenkabinett stammen. Das mag aber an der öffentlichen (Selbst-) Darstellung liegen. Und wenn ich es mir recht überlege, dann wirkte Helmut Kohl im Fernsehen auch oft, als ob er eine Leihgabe von Madame Tussaud an das Deutsche Volk gewesen sei.


Überhaupt sollten Politiker immer erst einmal beweisen, dass sie echt sind. Schließlich nennt Madame Tussaud ihr Etablissement nicht ohne Grund Kabinett.