Hillary

Gestern habe ich schon wieder ferngesehen: Die Rede von Hillary Clinton, mit der sie ihren Wahlkampf um die Präsidentschafts-Kandidatur der demokratischen Partei beendete.


Ich selbst fand die Clintons eigentlich immer ganz sympathisch und habe es immer als eines der Zeichen der Verblödung Amerikas gesehen, wie man Bill Clinton in der Lewinsky-Affäre abgehalftert hat. Seine persönlichen Macken waren offensichtlich, aber mir war ein Präsident, der sich im Oval-Office von Praktikantinnen befriedigen ließ, lieber als einer, der zur Befriedigung Kriege begann. (Nicht, dass ich das Verhalten Bill Clintons wirklich gut gefunden hätte, aber...)


Und an Hillary fand ich immer beeindruckend, wie sie diese öffentlichen Skandale und Demütigungen durchstand (auch wenn ich es nicht wirklich nachvollziehen konnte). Dass sie kandidierte, fand ich also gut, und hätte ich wählen dürfen, so hätte sie meine Unterstützung erhalten.


Dass ein Afro-Amerikaner kandidierte, fand ich gut, aber ich hatte Obamas Antrittsrede vor vier Jahren auf dem Nominierungskonvent für John Kerry gehört, und mir schien, er würde systematisch aufgebaut - was bei mir immer einen gewissen Widerstand auslöst.


Im Laufe des Wahlkampfs hat sich meine Meinung dann aber gewandelt. Ich fand auch, dass es eine Chance sein könnte, einen neuen, unbelasteten Menschen an die Spitze Amerikas zu stellen. Er könnte eventuell zu dessen Wiedergeburt nach der Bush-Katastrophe beitragen. Und wie er da auftrat, vor allem aber auch die Reaktion der Wähler, ließ mich nach und nach den emotionalen Wechsel zu ihm vollziehen.


Das wurde noch dadurch verschärft, dass die Clintons begannen, einen etwas schmutzigeren Wahlkampf zu führen. Sie wurden - und ich scheine da ja ähnlich zu reagieren wie viele Amerikaner - eher zum Symbol eines taktierenden und opportunistischen Politikstils (sie hatte ja auch für den Irak-Krieg gestimmt, was m. E. auch einen Mangel an Urteilsvermögen signalisierte bzw. ein zu starkes Taktieren).


Nun ihre Niederlage.


Und gestern diese Rede. Gut komponiert. Ein Aufruf, die Partei zu einigen, für die gemeinsamen Ziele zu kämpfen. Handwerklich gut gemacht. Seriös, ernsthaft, eine glaubwürdige Solidaritätsadresse an Obama, ein Aufruf zu seiner Unterstützung, der darin gipfelte, dass sie seinen Slogan übernahm: "Yes, we can!"


Wenn sie diesen Kommunikationsstil in den nächsten Wochen durchhält, dann könnte ich sie mir doch als Vize-Präsidentin vorstellen.


Denn inzwischen glaube ich, dass es ihr wohl doch nicht - wie die Kritiker betonen - allein um persönliche Macht geht, sondern um die Sache. Und in Amerika gibt es politisch wirklich vieles zu tun, für das zu engagieren sich lohnt. Als Stichwort sei hier nur die Krankenversicherung genannt. Hier scheint sie mir glaubwürdig.


Wenn ihr solche politischen Ziele ein mit ihrer persönlichen Identität verbundenes Anliegen wären, dann würde für mich auch verständlich, warum sie all diese Demütigungen, die sie in den Jahren der Präsidentschaft ihres Mannes hat aushalten müssen, ertragen konnte und nicht alles hingeschmissen hat.


Am besten hat mir in ihrer Rede die Formulierung gefallen (sinngemäß): "Wer zu sehr nach hinten schaut, kann nicht nach vorne schauen!"


(Obwohl ein gewisses Oszillieren zwischen Zukunfts- und Vergangenheitsorientierung wahrscheinlich ja angebracht wäre, wenn man nicht andauernd die alten Fehler wiederholden will...)