Hate Radio

Im Jahre 1994 kam es in Ruanda zu einem Genozid, bei dem in acht Monaten 1 Million Tutsi von ihren Mitbürgern (Hutu) abgeschlachtet wurden. Die Rolle, die dabei der Rundfunk, speziell ein Sender (RTLM) gespielt hat, wird in einem theatralischen Reenactment mit dem Titel "Hate Radio" in diesen Tagen im "Hebbel am Ufer" (HAU 2) in Berlin gezeigt.


Die (erneute) Konfrontation mit den noch gar nicht so lange zurück liegenden Massakern ist beklemmend und erschütternd genug. Was aber darüberhinaus an diesem Abend deutlich vor Augen geführt wird, ist die Rolle von Massenmedien bei solchen Massenbewegungen, wie es beim gegenseitigen Abschlachten der eigenen Nachbarn in Ruanda der Fall war.


Das Stück zeigt anderthalb Stunden das Studio eines Radiosenders, in dem drei Moderatoren, ein DJ (oder Techniker) und ein Soldat (als Wache) eine Call-in-Sendung machen, die aus (damals) aktueller Popmusik und politischer Agitation bis zum direkten Aufruf zum Massenmord reicht.


Dass sich viele Einzelne durch die auf klare Schwarz-weiss-Unterscheidungen und das Absprechen des Menschseins (die anderen sind "Kakerlaken") setzende Propaganda beeinflussen lassen, vor allem wenn sie so locker und flockig daher kommt, wie das in den alltäglichen Pop-Radiosendungen eben der Still ist, ist nicht wirklich verwunderlich. Schließlich wird das Medium Rundfunk in der Werbung genauso genutzt. Nur dass es sich in Ruanda um Werbung für Massenmord, nicht um Werbung für Massenkonsum handelte. Aber im Prinzip - d.h. handwerklich - besteht da offenbar kein großer Unterschied.


Als Empfehlung - noch mal lesen: Elias Canetti "Masse und Macht".