Grottenfalsch

In letzter Zeit lese ich öfter davon, dass etwas grottenfalsch sei: Die Modellpolitik mancher Autohersteller, der Militäreinsatz in Afghanistan, die Rettungsaktion für Opel oder für die Banken, das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem. Ein echtes Lieblingsadjektiv zur Diskreditierung gegenteiliger Auffassungen. Das Wort hat es bis zu den Grotten im Duden geschafft. Aber was bedeutet es eigentlich und woher kommt es? Was soll falsch sein an den Grotten? Ich will gerne etwas Aufklärung leisten.


In Wirklichkeit hat das Adjektiv grottenfalsch mit den Felsenhöhlen nichts zu tun. Der Ursprung sind die alemannischen „Chrotte“ mit einem Anlaut wie im Wort Rachen. Und gemeint sind Kröten und Frösche (von den Alemannen nicht weiter unterschieden), die im „Chrotteweiher“ leben und in bekannter Qualität die Sommernächte hindurch singen. Ein Mensch, der es ihnen gleich tut, singt chrottefalsch. Manchmal auch chrotteschlecht. Er kann, fachlich ausgedrückt, den Ton nicht halten. Da die Feriengäste aus anderen Regionen einerseits das kratzende alemannische Ch nicht beherrschten, ihnen aber andererseits das bildhafte Adjektiv vermutlich gefiel, haben sie den Laut richtigerweise durch das weiche K, also G ersetzt, weil sie das "Ch" nicht aussprechen können; denn bei Alemannen lauten die harten Verschlüsse b, g und d, statt p, k und t. Alemannische Grotten sind nicht finster, sie können singen. Falsch, aber laut. Und ein Chröttli ist ein hübsches Mädchen. Es handelt sich also um hierzulande beliebte Tierchen. Nur wenn einer etwas blind auf der Platte ist, sagen die Alemannen von ihm (ins Hochdeutsche übertragen): „Der kann auch nichts dafür, dass die Grotten keine Schwänze haben.“ Was wiederum den berühmten Alemannen C.G. Jung zu der Feststellung veranlasst hat, er sei nicht dafür verantwortlich, dass die Frösche keine Schwänze haben. Warum soll nicht ein alemannisches Wörtchen im Hochdeutschen Karriere machen, wo es sich doch sonst weit überwiegend um Adaptionen aus dem Englischen handelt, wenn plötzlich bis dahin unbekannte Wörter an Beliebtheit gewinnen? Auch wenn sie sich dabei von ihrer ursprünglichen Bedeutung entfernen oder in eine neue Verwandtschaft geraten.