GroKo

Heute entscheidet ein SPD-Parteitag darüber, ob mit der CDU/CSU über eine neue Regierungsbeteiligung (in welcher Form auch immer) sondiert werden soll.


Die Frage, ob es rational ist, die sogenannte große Koalititon (GroKo) in all ihrer Kleinheit fortzusetzen, ist schwer zu beantworten. Das liegt m.E. vor allem daran, dass Rationalität ja kein absoluter Begriff ist, sondern jeweils an der Frage gemessen werden muss: Rational für wen?, d.h. bezogen auf welches System?


Nehmen wir die verschiedenen Akteure (seien sie nun Personen oder soziale Einheiten) im vorliegenden Fall (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) als Beispiel:


1. Martin Schulz: Als Parteivorsitzender hat er nicht nur an seine eigenen Karriere zu denken (tut er sicherlich), sondern auch an das Wohl seiner Partei (siehe unten). Da er sich weit aus dem Fenster gelehnt hat, dass die GroKo ein Ende gefunden habe, wäre es für ihn wahrscheinlich rational, sich gegen die GroKO zu entscheiden, schon um der Konsistenz und Glaubwürdigkeit der eigenen Position willen.

Also: contra GroKo.


2. SPD: Für sie, die in der letzten GroKo zwar viele ihrer Programmpunkte durchgesetzt hat, dafür aber vom Wähler nicht belohnt wurde, wäre es wahrscheinlich besser, wenn sie eine muntere, Alternativen zum Regierungshandeln aufzeigende Opposition darstellen könnte. Da aber Jamaika gescheitert ist, bliebe nur die Duldung einer Minderheitsregierung, was aber die Chance eröffnen würde, sehr deutlich öffentlich zu demonstrieren, wo die Partei ihre inhaltlichen Punkte durchsetzen kann bzw. mit einer uneinsichtigen Regierung (zu der sie nicht selbst gehört) streitet.

Also: contra GroKo.


3. BRD: Für Deutschland wäre eine handlungsfähige Regierung, die sich nicht immer wieder neue Mehrheiten suchen muss, sondern sie im kleinen Kreis ausschnapsen kann, wahrscheinlich ambivalent zu bewerten. Denn es würde undurchsichtig gekungelt, andererseits könnte schnell und effizient gehandelt werden, vor allem könnten tragfähige Kompromisse gefunden werden, was in der Politik meist ein Gewinn ist. Auf der anderen Seite würden durch solch einen Block in der Mitte die viel gerühmten oder geschmähten Ränder gestärkt werden, d.h. AfD u.Ä. würde möglicherweise Zulauf bekommen.

Also: unentschieden.


4. Europa: Hier fungierten Deutschland und Frau Merkel bislang als Fels in der Brandung (um den Slogan einer anderen Versicherungsgesellschaft zu gebrauchen). Durch eine GroKo wäre diese, Berechenbarkeit schaffende Zuverlässigkeit weiter gegeben. In Zeiten, in denen sich die merkwürdigsten Regierungen in Europa etablieren können (Ungarn, Polen usw.), wäre dies sicher ein Gewinn. Auch könnte die Kooperation mit Frankreich im Blick auf Reformen der europäischen Institutionen forciert werden. Dagen spricht die bisherige Austeritätspolitik des Herrn Schäuble, der Südeuropa, wenn vielleicht auch nicht in die Kacke geritten, so ihm doch auch nicht daraus heraus geholfen hat. Trotzdem scheinen mir die Vorteile für Europa die Nachteile zu überwiegen.

Also: pro GroKo.


Ich persönlich, aber das ist natürlich meiner vaterlandslosen, internationalistischen Einstellung zuzuschreiben, würde Europa an die erste Stelle der Prioritätenliste setzen und daher für die GroKo plädieren.