Grass

Seit ich vor einigen Jahren eine Konferenz moderiert habe, bei der Palestinenser und Juden (nicht nur, aber auch Israelis) miteinander sehr intensiv und engagiert darüber diskutiert haben, wie denn Frieden in Nahost herzustellen sei oder wenigstens verhindert werden könnte, dass Gewalt ausbricht, bin ich ziemlich neutral - d.h. hin- und hergerissen - in meinen Sympathien und meiner Solidartät für beide Seiten.


Wenn ich nun den Erguss (letzte Tinte) von Günther Grass lese, so sind meine Reaktionen zwar zwiespältig, aber trotzdem nicht neutral.


Natürlich ist das gegenwärtige Israel eine Gefahr für den Frieden in Nahost - d.h. die Politik der gegenwärtigen Regierung (es gab auch schon ganz andere). Aber: Im Zweifel ist der Iran m.E. die viel größere Gefahr für den Weltfrieden. Selbst wenn Maulhelden am Werk sein sollten, die nur so tun, als ob sie Atombomben produzieren, um dadurch endlich auf der Weltbühne für voll genommen zu werden (wie weiland Saddam Hussein), treiben sie ein gefährliches Spiel - gerade weil sie Israel bedrohen und zu irgendwelchen kriegerischen Blödheiten einladen.


Israel hat - das scheint mir ein gravierender Unterschied - nie gedroht, den Iran in den Persischen Golf zu treiben, es hat auch nicht mit atomaren preemptive strikes gedroht usw. Umgekehrt droht der Iran seit Jahren Israel ins Meer zu werfen, obwohl er selbst gar kein Beteiligter im Palästina--Konflikt ist...


Israel zu bedrohen scheint mir daher eine Maßnahme, um vom eigenen Terrorregime, der Unterdrückung jeder Opposition usw. abzulenken - wahrscheinlich in der Hoffnung, dass ein Außenfeind intern für Integration sorgen möge.


Trotzdem halte ich die israelische Politik (Mauerbau etc.) für höchst problematisch, um in der Hinsicht keine Entweder-oder-Schemata zu suggerieren.


Solange nicht beide Seiten eine höhere, neutrale Macht (z.B. UNO) akzeptieren, die gegebenenfalls auch militärisch (!) für Unterordnung unter ihre Entscheidungen sorgen könnte, wird es in Nahost keinen Frieden gegen. Das ist nun mal die Logik der Gewalt und des Kriegs.


Ein Gedicht ist das, was Günter Grass da geschrieben hat, sicher auch nicht. Es so zu nennen, hat aber wahrscheinlich geholfen, seinen Leserbrief im redaktionellen Teil der Süddeutschen Zeitung zu platzieren (Feuilleton), statt auf der eigentlich angemessenen Seite für die oft ja merkwürdigen Zuschriften von Hinz und Kunz (meine Entschuldigung an alle Träger dieser Namen im voraus).