Goa

Im Tagesspiegel von heute steht ein Artikel darüber, dass jährlich ca. 30.000 Israelis nach Indien fahren (speziell Goa) und sich dort für wenig Geld zutoxen. Nicht wenige bleiben dabei auf der Strecke oder gehen verloren, weil sie psychotisch werden oder irgendwie anders ausflippen.


Mich hat diese Beschreibung unter anderem deswegen fasziniert, weil meine allererste Publikation (in der Wochendbeilage der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, irgendwann im Herbst 1975) den Titel trug: "Endstation am Strand von Goa". Ich hatte auf dem Weg dorthin (nach Goa, nicht zur Endstation) zig Rucksackreisende - damals Hippies genannt - interviewt, ihnen Fragebögen vorgelegt (ziemlich irre von mir, wenn ich das jetzt bedenke), um herauszufinden, welchen Einfluss dieser Trip nach Indien auf den Drogenkonsum hat. Das Ergebnis (später dann auch in einer Fachzeitschrift publiziert): Wer gut in Europa oder den USA - im Westen halt - integriert war, d.h. Beruf, Schule oder Ähnliches durchlaufen und/oder eine Stelle inne hatte, nahm in Indien viel Drogen (auf jeden Fall mehr als zu Hause, falls er dort überhaupt welche konsumiert hatte). Wer schlecht integriert war und in einer Außenseiterposition zu Hause war, nahm weniger Drogen.


Meine Erklärung damals: Die Konfrontation mit der fremden Kultur war für die zu Hause Ordentlichen und Angepassten ein zu großer Unterschied, so dass es eine Möglichkeit der Bewältigung war, sich zu bekiffen. Bei den anderen war es umgekehrt: In Indien sind alle Europäer Außenseiter, so dass dieser Unterschied aufgehoben wird.


Überträgt man dies auf die jungen Israelis, so zeigen Studien, dass es vor allem ehemalige Soldaten sind, die den Weg nach Indien suchen. Sie sehen nichts von der Kultur dort, sondern sitzen am Strand und werfen Ecstasy oder LSD ein. Ich denke, meine alten Deutungen passen hier nicht. Nicht Indien ist zu fremd, um ohne Drogen damit umzugehen, sondern Israel bzw. die Situation des Soldaten dort ist zu fremd, um sie bzw. die damit verbundenen Erlebnisse so einfach weg zu stecken. Sich am Strand von Goa zuzutoxen scheint mir ein Zeichen der Perspektivlosigkeit zu sein. Eine Flucht aus der unerträglichen Normalität (des Soldatenseins) zu Hause... Kein gutes Omen für Israel.