REVUE Nr 13, Transformation. Feedback zu Gilgamesh und Christeene 6

REVUE, Magazine for the next society. Transformation. Nr 13. Sommer 2013

REVUE Editorial:


„… Die REVUE ist ein Resonanzraum für all diese Stimmen, in dem immer wieder die Frage nachhallt: ist eine Next Society eher als Wiedereinführung verlorener Möglichkeiten zu verstehen – und weniger als deren Ablösung? Wir wären auch auf Ihre Antworten gespannt…“


Feedback

Ich beziehe mich hier auf diese „Wiedereinführung“ – zeichne einen in REVUE gespannten Bogen nach, um diesen – ihn inhaltlich ergänzend – mit einem Plädoyer zu beschließen, und damit sich verlierende, beinahe schon verlorene Möglichkeiten in Erinnerung zu rufen.


Der hier skizzierte Bogen


GILGAMESH, übersetzt von William Muss Arnolt 1901.


CHRISTEENE, skype-geviewt von Ludwig Plath (*Zitate)


IV. Wandeln wir uns zur queeren zero-society?


(Und wenn, warum?)


(Und dann, -wollen wir das?)


(Und überhaupt, ist nicht eh schon alles ganz egal?)


Liegt REVUE in Nr 13, Transformation. mit seiner – unterschwellig angebotenen - Prognose richtig und beweist damit Anschlusssicherheit? Und wenn, an was? An den Mainstream oder an die „Avantgarde“?


Die entropische Haltlosigkeit der Ansage der Vorhersage von mundaner Queerness kann doch schon mal wenigstens als Warnung vor übermütigen oder mutlosen Voraussichten dienen, um funktionierende erfolgreiche Möglichkeiten gar nicht erst verloren gehen zu lassen!


Ich hinterfrage jetzt mal einfach die Bewerbung dieser Marken gesteuerten Transformation und beleuchte deren Folgen. Ich werbe dabei zugleich für critical correctness, die ich hier für mich in Anspruch nehme.


Ich plädiere zu aller erst für die Überweisung sexueller Vorlieben und deren Darstellung in die Privatsphäre mündiger Erwachsener. Auch möge deren Dauer-Bewerbung in die Mundpropaganda sich dafür anbietender Lokale und einschlägiger Medien zurückverlegt werden. Ich selbst interessiere mich nämlich, und will dies in aller Kürze skizzieren, für die „Wiedereinführung der verlorenen Möglichkeiten – und weniger für deren Ablösung.“


Eine Wiedereinführung, beziehungsweise streng genommen Neuerfindung und Neueinführung eines produktiven Geschlechter-DISKURSES ist nämlich bedeutend brisanter, aktueller und naheliegender, als die künstlich am Köcheln gehaltene unglaublich biedere Polit-Debatte um die so genannte „Homo-Ehe.“ Gerade jetzt, wo Gesellschaft und Individuen mitten im Begriff sind, die Ehe gnadenlos abzuwerten, soll es unter Schwulen nichts begehrenswerteres geben als nach Gesetz, Heim, Herd und Kindern zu verlangen? Und – nebenbei – auch noch die diesen konnotierten Rollen zu spielen und nach Lust und Laune zu parodieren? Warum etwas Verächtlichmachen, das unser aller Lebensgrundlage ist?


Durch ein parlamentarisch verabschiedetes Vertrags- und Gesetzeswerk, können die neuerdings gewünschten Sicherheiten, Pensions- und Erbschaftsansprüche auch unter einem anderen zivilen Titel erkämpft werden. Warum hierfür ausgerechnet die Ehe begehren?

Die Ehe, - ursprünglich ein rein genealogisch begründetes Gewährleistungsabkommen, später eine ökonomische Loyalitätsübereinkunft - ist - last not least - eine Institution der Geschlechterdifferenz, die deren öffentliche Interessen zu vertreten hat.


Und bitte Achtung: mit den philosophischen und literarischen Ansprüchen der Romantik, (- vor allem Friedrich Schlegels Lucinde möchte ich hierbei hervorheben -), geht die Darstellung eines durchaus erstrebenswerten Ideals der Ehe einher, wenn psychisch Erwachsene diese eingehen wollen. Edle Vorschläge zur Liebesheirat, die wir innerhalb von zwei Jahrhunderten nur oberflächlich aufgenommen und nicht verstanden haben. Oder nur das, was wir verstehen wollten.

Wir haben sie deshalb auch nicht zu entwickeln vermocht, sondern „Liebesheirat“ nun als emotionale Mängel-Versorgung verstanden (wenn schon auf die materielle Versorgung kein Verlass mehr war), wo man sich vom anderen ganz viel erwarten will, aber ihm nichts geben und nur nicht allzu viel dafür tun muss.


Wie kam es überhaupt dazu die Liebesheirat zu propagieren? Das „autonome“ Erkenntnis-Subjekt der Neuzeit wird sich unter seinesgleichen nun selbst fragwürdig. Mann beginnt um 1800 im kleinen Kreis die Erfüllung der Subjektivität nicht in der monomanischen „Autonomie“, sondern in der emotionalen Abhängigkeit und emphatischen Angewiesenheit auf die Andere, den Anderen, das heißt im Zusammenspiel ihrer sexuell unterschiedenen Zweiheit, zu suchen.

Der Briefwechsel, die Sehnsucht und die Entfernung spielen in der Romantik eine große Rolle. Man nähert sich über die Distanz an, um auf diesem Weg Nähe und Distanz auszuloten. Aus Gründen eines schon chronischen geistigen Autismus scheint dies noch schwer zu gelingen. Hier beginnt der subjektive Weg, um den bewusst und unbewusst verspürten Solipsimus des klassischen cartesischen „Subjekts“, das man über drei Jahrhunderte propagiert, im Wissenschaftsleben entwickelt und subjektiv gespielt hatte, an der Schwelle des neuen Jahrhunderts zu überwinden.


Ehe wird nun spirituell und zauberhaft aufgeladen als umfassendes gegenseitiges Sakrament. Dies bedeutet auch, das existentielle, gegenseitig subjektive aufeinander Angewiesensein, als poetische und literarische Ausdifferenzierung zu betreiben. Dies bleibt jedoch – zunächst - ein unvollendetes Projekt... eben weil, im Zuge seines Erfolgs und seiner Popularisierung daraus übermäßige kindliche und romanhafte Erwartungen an das Du abgeleitet werden, anstatt hohe Ansprüche an das je eigene Ich zu stellen. Vor allem gelingt es nicht, das sich nun gerade erst massenhaft entwickelnde Ego entsprechend in Zaum zu halten. So scheitern die Liebes-Ehen heute reihenweise, die immer als Liebesheirat beginnen und meist hasserfüllt enden, - also bevor noch ein individuell entworfener oder als Leitbild übernommener, tragfähiger, erwachsener Liebesbegriff entwickelt werden kann.


Auf demselben schwankenden Boden gründet auch der homosexuelle Wunsch, sich ehelich zu binden

Das Ehebegehren von Schwulen ist darüber hinaus ein usurpatorisches Ansinnen. Es ist der Versuch der feindlichen Übernahme einer gesellschaftlichen Vereinbarung, die der geistigen, emotionalen und sexuellen Orientierung, sowie dem Schutz und dem Vorbild von Kindern dient. Warum wollen wir heute offen bestreiten, dass Kindern bei ihrem Aufwachsen Eltern beiderlei Geschlechts zustehen, und beiseite stehen sollen? Eltern, die sie zeugen, gebären und ins Leben begleiten.


Warum wollen wir verleugnen, obwohl wir es besser wissen, dass Kinder ein Recht darauf haben - auch in möglichen Adoptiveltern - beide Geschlechter als mentales und psychisches, emotionales und rationales Leitbild zu haben?


Mit Recht haben Homosexuelle in die eigene Selbstwürdigung viel Kraft investiert, und ein heute allgemein anerkanntes, gültiges Gesetz der Anerkennung erkämpft, dass Ihre Gleichwürdigkeit garantiert.

Es stehen jedoch jedem Individuum in der Gesellschaft viele produktive Sozialrollen zur Verfügung. Man muss also nicht ausgerechnet Kindern ein zweigeschlechtliches Elternpaar streitig machen, und dabei so tun, als würde man Gutes tun, weil es soviel arme Kinder auf der Welt gibt. Auch enttäuschte, politisch oder ideologisch motivierte Alleinerziehende müssen darüber nachdenken, ihre Ent-Täuschung selbst zu verantworten und nicht andere, - meist Männer und Kinder -, durch hasserfüllte Egotrips und politisch erlaubte isolierende Strategien, zu bestrafen. Da beide zumindest die Hälfte der Verantwortung tragen, wenn nicht – je - die ganze (!), muss man von ihnen verlangen dürfen, diese zu übernehmen, - ja, und beide dabei (wenn nötig) unterstützen.


Warum verdrängen wir als Gesellschaft, dass Jugendlichen und Erwachsenen nichts wichtiger ist, als ihre Herkunft und ihre leiblichen Eltern zu kennen, und dass sie, wenn es sein muss, mittlerweile dafür ganze Kontinente durchqueren?

Nur weil wir zu bequem und zu feig geworden sind, notwendige Unterschiede zu machen? Unterschiede, die uns zu dem machen, was wir sind. Unterschiede, die in ihrer bisher nicht ausgeschöpften Tiefe noch nicht einmal im Ansatz ausdifferenziert werden konnten.


Unbestritten ist, dass die Geschlechter-Differenz (biologisch, dialektisch, kulturell) - in allen ihren Facetten - evolutionär erfolgreich ist. Warum wollen wir diese Entwicklung leichtfertig verwahrlosen lassen?

Auch wenn heute qua politischer und medialer Dauer-Berieselung scheinbar keine „Lust“ und kein „Spaß“ darin zu liegen scheint, sich den notwendigen Konflikten - auf hohem Niveau - zu stellen, und man/frau, sowie die Medien und die Politik diesen lieber durch fadenscheinige Sozialmanöver auszuweichen suchen, denke ich doch, dies kann auf Dauer nicht gut gehen. Viel mehr, so denke ich, führt soziale Beliebigkeit in sozialen Verfall und Zerstörung. Die grundstürzende gegenwärtige Störung der Geschlechter-Liebe weist geradezu auf die Notwendigkeit von deren subtiler Ausdifferenzierung und Veredlung hin, - und nicht auf die Kreation und die künstliche Bemühung „neuer“ Geschlechter.


Seinen sozialen Beitrag kann jedes Individuum leisten, wo es ihn findet, - durchaus auch im verantworteten Verzicht. Doch auf dem empfindlichen Gebiet der Identitätsfindung von Kindern zunehmend sozial desaströse Experimente zu lancieren, - ist das nicht, bis tief in kommende Generationen hinein, ein - unverantwortetes - und deshalb unverantwortbares Ansinnen?

Entspringt es nicht einer allgemeinen Haltung von Blauäugikeit, und Leichtgläubigkeit, und auf der anderen Seite einer Bedenkenlosigkeit, der zukünftiges soziales Leben und Erleben gleichgültig ist, solange nur expansive individuelle Begehrlichkeiten erfüllt werden? Die, durch Medien, Politik, Zeitgeist kreisförmig angefacht, nicht nur gesellschaftlich, sondern gleich auch per Gesetz und auf Kosten anderer abgesichert sein wollen? Mit einem Verhalten, wie Kinder, die von den Eltern (oder vom Vater Staat) durch verwöhntes unausgesetztes Plärren einen Wunsch ertrotzen?