Geschichten in Familienunternehmen

Die letzten drei Tage habe ich in der Uni Witten ein Seminar mit Arist von Schlippe und Torsten Groth zum Thema "Geschichten in Familienunternehmen" abgehalten.


Wie in anderen Uni-Seminaren wurden Referate gehalten und Texte diskutiert (was ich persönlich zwar für sinnvoll, aber nicht wirklich spannend halte). Höhepunkt waren daher für mich die Gäste, die sich zum Thema befragen ließen bzw. spontan selbst erzählten: ein Unternehmer (4. Generation) und ein Fremdmanager in einem Familienunternehmen (zigste Generation), und die anschließenden Diskussionen.


Deutlich wurde mir wieder einmal der Sonderstatus von Familienunternehmen: Sie "ticken" anders, da sie immer auch familiären (und damit personenorientierten) Kriterien gerecht werden müssen. Kein Fremdmanager hat langfristig in einem Familienunternehmen eine Überlebenschance, wenn er sich nicht - bewußt, sehenden Auges - in den Dienst der Familie und ihres Identitätserhalts stellt. Dass er sich dabei in Paradoxien verstricken kann, gehört zu seinem Berufsrisiko. Schließlich steht er vor der Aufgabe, mit den von ihm zu verantwortenden Entscheidungen zwei Maßstäben gleichzeitig gerecht werden zu müssen, obwohl die sich logisch gegenseitig auszuschließen scheinen: Er muss ökonomischen Bewertungsmaßstäben gerecht werden, d.h. Rendite erwirtschaften, und er muß personenorientierten Werten gercht werden, d.h. affektiven Bedürfnissen und Zielen der Familien, wie etwa Zuverlässigkeit der Beziehungen, Vertrauen, Fürsorge etc.


Nur wer es schafft, beiden Spielregeln gerecht zu werden und sich von der Alternative des Entweder-oder zu befreien, wird langfristig Erfolg haben. Ambiguitätstoleranz und Paradoxiemanagement sind die Stichworte. Erfolgreiche Familienunternehmen machen fast alles falsch (wenn man die Analysten an der Börse fragt). Und deswegen sind sie so erfolgreich und leben weit länger als all die sexy Aktiengesellschaften am Kapitalmarkt.


Und wie sie das schaffen, zeigt sich häufig schon in den Gründungsmythen. Dass es hier im Selbstverständnis von Familienunternehmern und Managern, die nur für eine begrenzte Zeit angeheuert sind, einen großen Unterschied gibt, mag folgende Geschichte zeigen (kein Gründungsmythos, aber eine Story, die nicht nur spezifische Spielregen zeigt, sondern sie auch erhalten hilft, da sie im Unternehmen erzählt wird):


Herr X., Gründer der Unternehmens..., war auf dem Weg nach New York. Einer seiner Topmanager auch. Beide wußten nichts von den Reiseplänen des anderen. Als Herr X. das Fluzeug betrat, sah er seinen Angestellen in der ersten Klasse sitzen. Er ging hin begrüßte ihn freundlich. Beide plauderten noch ein wenig, dann verabschiedete sich Herr X. und äußerte sein Bedauern, dass man das interessante Gespräch nicht fortführen könne und ging auf seinen Platz in der Economy-Klasse...