Geschichte

Eigentlich wollte ich hier über die ziemlich schwache (um nicht zu sagen: schwachsinnige - und das ist buchstäblich so gemeint) Neujahrsansprache unserer Bundeskanzlerin schreiben. Sie beruft sich darin mehrfach auf eine nicht näher inhaltlich definierte "die Welt", die unter anderem "über ihre Verhältnisse" gelebt habe. Das ist schon sehr dünn, liebe Frau Merkel, bei allem Respekt dafür, wie Sie bislang Ihren Job meistern. Denn nicht "der Welt" ist hier die Verantwortung zuzuschreiben, sondern entweder konkreten Menschen oder dummen Spielregeln unserer (welt-) politischen und wirtschaftlichen Institutionen. Und über ihre Verhältnisse hat nicht die Welt gelebt, sondern irgendwelche konkreten Menschen, die von den blöden Regeln des Systems profitiert haben, haben über die Verhältnisse fast aller gelebt, nur nicht über die eigenen - und das ist das Problem.


Aber lassen wir diese weltpolitischen Nebensächlichkeiten und wenden wir uns dem wahrhaft Wichtigen zu:


Der Carl-Auer-Verlag wird im Jahre 2009 junge 20 Jahre alt.


Und dazu gibt es ab heute auf der Website des Verlags ein Journal, in dem die Geschichte des Verlages nachzulesen ist. Das Team des Verlags hat dabei wieder einmal seine Kreativität und Originalität sprühen lassen und sein Bewusstsein für die Relevanz von Historiographie gezeigt. Als jemand, der seit der ersten Stunde dieses Experiment und die daraus resultierende Erfolgsstory mitverfolgt hat, kann ich nur sagen: Hier wird deutlich, dass die Geschichte eines jeden Unternehmens immer eine Lernexpedition ist, ein kurvenreicher Weg, gekennzeichnet von diversen Versuchen und Irrtümern, ein evolutionärer Prozess, dessen Verlauf nicht vorhersehbar ist. Deswegen ist der Rückblick so erhellend, denn es hätte alles immer auch anders laufen können.


Als einer der Gründer des Verlages kann ich nur jedem raten, sich auf solch ein Unternehmensgründungs-Abenteuer einzulassen: Ich persönlich habe dabei unendlich viel gelernt. Und ich könnte und würde nicht über Organisationen, über kollektive Intelligenz und Kreativität etc. schreiben können, ohne diese Erfahrung (über die Blödheit von Organisationen könnte ich das auch ohne die Erfahrungen mit Carl Auer...).


Alles in allem sind Geburtstage (Jubiläumsjahre) immer auch eine Gelegenheit, Geschichte zu bewerten. Als Betroffener kann und will ich das in Bezug auf den Verlag nicht machen, sondern überlasse das lieber Außenstehenden. Aber aus der Innenperspektive kann ich nach 20 Jahren sagen, dass er aus meiner Sicht ein Paradox realisiert: Mit zunehmendem Alter und zunehmender Erfahrung scheint er mir immer jünger geworden zu sein... Wahrscheinlich ist das bei interessanten Menschen ja ebenso. Wenn man richtig erwachsen ist und viel Erfahrungen sammeln konnte, dann braucht man sich nicht mehr so sehr zu sorgen, was Andere denken, sondern ist gelassen und urteilssicher genug, um das zu tun, was einem richtig und angemessen erscheint. Und diese Unabhängigkeit verhilft zu der Leichtigkeit und Offenheit für Neues, die üblicher- (aber fälschlicher-)weise mit Jugendlichkeit assoziiert wird.