Geschenke

Telefonanruf: Alte Bekannte, "Nachbarn" (wohnen 30 km entfernt, aber in großen Ländern wie Kanada ändern sich die Maßstäbe von Nähe und Distanz) wollen zu Besuch kommen. Wo ist eigentlich der scheußliche Leuchter, den sie - als Geschenk getarnt - bei uns einmal entsorgt hatten?


Geschenke sind ja ein merkwürdiges Phänomen. Wenn mann irgendwohin zu Besuch kommt, dann bringt man - gewissemaßen zu Tausch für die Mühe des Gastgebers - eine Kleinigkeit mit. Eine symbolische Gabe, die Wohlwollen und Sympathie signalisieren und erezugen soll. Ein Symmetrieangebot. Doch manche Geschenke sind offensichtlich Ausdruck der Aggressivität - eine Grenzverletzung. Zu dieser Kategorie gehört jener Leuchter. Es ist ein Objekt, das nahezu unzerstörbar erscheint, und daher den Empfänger lebenslang verpflichtet, es für den nächsten Besuch des Schenkenden bereit zu halten - um zu zeigen dass man ihn in seinem Geschenk ehrt. Doch wer kann all diese Geschenke aufbewahren, zumal, wenn sie scheußlich sind, nicht zur Wohnungseinrichtung oder sonst den ästhetischen Kriterien des Beschenkten passen? Wer hat schon ein Lagerhaus zur Verfügung, samt Archiv, in dem er nachschlagen kann, wann er was von wem erhalten hat?


Damit diese Schwierigkeit nicht zum Abbruch der sozialen Beziehungen führt - auch kleine Geschenke dieser Art gefährden die Freundschaft - hat es sich eingebürgert, verderbliche Waren zu schenken: Blumen, Konfekt, eine Flasche Wein... Alles Dinge, die implizieren, dass der Gebende beim nächsten Mal nicht fragt: "Wo ist denn eigentlich mein handgeschnitzter Leuchter geblieben?" Wer unverderbliche Dinge verschenkt, verletzt den Intimraum seiner Mitmenschen.


Der Leuchter meiner "Nachbarn" ist übrigens vor einigen Jahren mit unserem Haus verbrannt, so dass wir sie ganz ungeniert empfangen können. Sie werden nicht nach ihm fragen... Neustart. Aber man kann ja nicht immer damit rechnen, dass das Haus abrennt oder es gar deswegen anzünden.