Geheimnis und Verrat

Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass ein Geheimnis das bleibt, was sein Name besagt: geheim.


Betrachtet man die Etymologie, so stammt das Wort von "Heim" ab, dem eigenen Haus, und es verweist auf den Gegensatz zu dem, was nicht zum Heim gehört: der Öffentlichkeit.


Wer nicht will, dass Interna eines "Hauses" (einer Paarbeziehung, einer Familie, der CIA, der amerikanischen Regierung ...) an die Öffentlichkeit dringen, der hat dafür Sorge zu tragen, dass dies nicht geschieht. Deshalb werden implizit Familienmitglieder zur Loyalität der Familie gegenüber verpflichtet, d.h. ihnen werden Hemmungen anerzogen auszuplaudern, was zu Hause so passiert, und Mitarbeiter von Organisationen werden explizit zur Verschwiegenheit verpflichtet. Wenn sie die nicht einhalten, dann kann ihnen gekündigt werden (im harmloseren Fall) oder sie können gar des Verrats (z.B. im Fall von Spionage für den "Feind") angeklagt und verurteilt werden.


Aber sollte man - und das ist ja die Frage bei Wikileaks - dafür zur Verantwortung gezogen werden, wenn man Geheimnisse anderer ausplaudert?


Ich denke, dass das nicht angemessen wäre. Wenn mir ein Fremder an der Bushaltestelle seine intimsten Geheimnisse mitteilt, und ich stelle die ins Internet, dann mag das ein Zeichen schlechten Geschmacks sein, aber es ist m.E. kein Geheimnisverrat.


Also: Nicht Herr Assange gehört vor Gericht gestellt, sondern seine Informanten. Denn die haben wahrscheinlich ja irgendwelche, sie zur Verschwiegenheit verpflichtende Verträge unterzeichnet. Oder aber die Organisatoren, die für die Verwaltung der geheimen Daten zuständig waren/sind, könnten angemessenerweise zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie nicht für die Geheimheit der Geheimnisse gesorgt haben...


Ob es klug ist, all diese Daten ins Netz zu stellen, ist eine ganz andere Frage. Aber um die geht es bei der Verhaftung und der Jagd auf Assange m.E. nicht. Mangelnde Klugheit mag zwar sträflich (=strafbar) sein (aber im Zweifel nicht wegen Vergewaltigung...).