Geh nicht leer!

Meine Kehrwoche geht zu Ende. Noch mal in den Ecken nachschauen, die man ansonsten gerne vergisst und dann überprüfen, ob alles sauber ist. Gott sei Dank, nicht alles: man will sich ja schließlich noch wohl fühlen in den eigenen vier Wänden. Was hat es bewirkt, ich wollte doch sehen, was die Kehrwoche an Selbst-Vergewisserung bringt. Also zunächst: Was hat es mir gebracht? Ein paar Rückmeldungen, wenige im Blog, mehr über e-mail und da hat sich ein alter Bekannter gemeldet, mit dem ich immer schon mal wieder Kontakt aufnehmen wollte. Das ist schön. Weniger schön fand ich zunächst, dass sich mehr Leute nach Tante Klara erkundigten als nach mir – ich muss lernen damit zu leben. Und was hat es mit mir gemacht? Ich weiß es noch nicht. Hat es Suchprozesse ausgelöst? Na ja, welche Information und bewusste Aktivität tut das nicht. Was kann das Bloggen denn bewirken ? So wie ich selbst nie Tagebuch geschrieben habe, es aber einigen Klienten empfahl, sollte ich mal der Frage nachgehen, wie ich es in therapeutische Strategien integrieren könnte. Und da kann es hilfreich sein, die Medizin, die man verschreibt, vorher an sich ausprobiert zu haben. Und die Nebenwirkungen zu kennen.


Da ist zunächst das subjektive Zeitempfinden: Meine Frau meint, dass ich deutlich mehr Zeit fürs Schreiben verwendet habe, als ich es mir zugestehe. Und deutlich häufiger in diesem Zustand des selbstvergewissernden Assoziierens war, als uns gut tun würde. Beim Frühstück zum Beispiel, immer dieser gedankenverlorene Blick in die Weite und das, was Außenstehende gemeinhin als geistige Abwesenheit bezeichnen, die basale Kommunikationsprozesse erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. Aber das muß mir andererseits doch wohl Spaß gemacht haben. Beim Schreiben und bei der Vorbereitung dazu hatte ich häufig das Gefühl, entspannt in der Badewanne bis über die Ohren mit mediterran duftendem Badeschaum zu sitzen: Mediterranes Dösen zu Hause. Es hat –mir(!)- Spaß gemacht. Nun hoffe ich nur, dass es mir ab morgen nicht so ergeht wie damals, als ich nach 12 jähriger Zugehörigkeit zum Senat nicht mehr gewählt wurde: Donnerstags nachmittags saß ich in der ersten Woche in meinem Dienstzimmer und wartete darauf gerufen zu werden. Macht eine Kehrwoche süchtig? Eine Woche hoffentlich noch nicht, deshalb wird es aber auch Zeit aufzuhören.

Was kann eine Kehrwoche denn noch an inneren Prozessen auslösen? Sicher gibt es darüber schon Publikationen. Eine davon hat gerade jetzt die International Herald Tribune veröffentlicht, die sich mit nationalen Mentalitätsunterschieden beim Bloggen befasst. Französische Blogger verbringen gut eine Stunde täglich bei ihren eigenen oder bei fremden weblogs, in den USA sind es 12, in Deutschland nur 3 Minuten. (Paradiesische Zustände, sagt meine Frau). Darüber hinaus scheinen die französischen Blogger, so die Ergebnisse der zitierten Untersuchung, deutlich egozentrischer und negativer als die US-amerikanischen Kollegen zu sein, was nach den vorgelegten Analysen auch mit der „Renitenz dieses Volkes“ zu tun hat. Und, wie H.H. Kohl in der FR vom 4.8. weiter berichtet: „Diese macht sich sonst Luft in Streiks oder „philosophischen Debatten in rauchgeschwängerten Cafés“, weshalb ein US-Manager in Paris angesichts der Blogs Mut schöpft. „Wenn es davon so viele gibt, hoffe ich, dass es im Herbst weniger Demonstrationen und Streiks gibt“, sagt er: „Wenn die Leute sich online ausdrücken können, müssen sie vielleicht nicht die Straße blockieren.“


Neben Einblicken in stereo-typisches Denken von US-Managern finden wir hier Hinweise auf eine mögliche kathartische Wirkung des Bloggens: Man muss nur seine negativen und egozentrischen Gedanken raus lassen. Und da berichtet wird, dass auch die französischen Spitzenpolitiker sich ausführlich am Bloggen beteiligen, habe ich den Eindruck, dass da was dran ist. Die Franzosen, negativ und egozentrisch wie sie auch immer sein mögen, haben zur Beseitigung der Libanon Krise einen sofortiges Ende der Kämpfe gefordert, die positiven und altruistischen Amerikaner wollten hingegen eher eine „langfristige“ Lösung. Im Nachhinein bedanke ich mich daher bei den Kolleginnen vom gestrigen Beitrag, die „das Negative“ eingefordert haben. Vielleicht bin ich auf dem Weg zu einem guten Menschen. Also, mal sehen, was die Kehrwoche mit mir gemacht hat.

Noch etwas muss wegen des roten Fadens ‚Abschied’ erwähnt werden. Bitte bedauert mich nicht wegen meiner Pensionierung, wie zwischen einigen Zeilen herauszulesen war. Ich verabschiede mich nur von einigen Pflichtaufgaben: Das erfolgreiche LoB-Kontaktstudium läuft weiter, ich komme auch gerne meinen Weiterbildungsverpflichtungen nach, so lange die Teilnehmer meine Geschichten noch hören wollen und ich freue mich weiterhin über einige Doktorandinnen und Projekte.


Und noch etwas: In dem Badeschaum des Assoziierens wusste ich manchmal nicht, wie wirklich die Wirklichkeit war. Ich habe in alten Schachteln nachgesucht und den Personalausweis von Tante Klara wieder gefunden. Sie ist also wirklich. Und ich höre noch immer, wie sie sagte, wenn ich aufstand nach dem Mittagessen und einfach so in die Küche gehen wollte: „Nimm deinen Teller mit, Junge, geh nicht leer!“ Wird gemacht, Tante Klara!