Gefährliche Psychiater

Als ich noch vorwiegend als Psychiater arbeitete, kamen immer mal wieder Leute zu mir und sagten, ihnen sei geraten worden, endlich mal zum Psychopathen zu gehen. Das hat mich schon damals nachdenklich gemacht, obwohl mir klar war, dass es oft nur vom Zufall abhängt (oder auch von der individuellen Fähigkeit, sich durch seine Berufswahl "ans andere Ufer" zu retten), ob man Psychiater oder Psychotiker wird. Aber wahrscheinlich ist Psychiater ja eh eine pathologische Berufswahl, und man muss sich generell fragen, wer sich für welche Job warum entscheidet.


Bei den wirklich hervorragenden Psychiatern (wörtlich zu verstehen), die es heutzutage zu Ruhm und (wenn auch nur in bestimmten Gruppen) zu Ehre bringen, wie Major Hasan (Fort Hood) und Kollege Karadzic, weil sie sich durch Massenmord hervortun, handelt es sich sicher nicht um Psychotiker. Eher schon um Leute, die gemeinhin als Psychopathen diagnostiziert werden. Soziopathen ist ein besserer Begriff. Es sind Menschen, die meiner Einschätzung nach sehr genau wissen, was sie tun, und überzeugt sind, dass sie die Wahrheit auf ihrer Seite haben und sie die "Guten" sind. Sie sind verstrickt in Wahnsysteme der Art, die man Überzeugung nennt. Krankheit oder Schuldunfähigkeit kann man hier kaum zuschreiben.


Es gibt auch Amokläufer und Massenmörder anderer Professionen. Aber Psychiater sind - wie auch Juristen - besonders gefährdet, da viele von ihnen sehr normativ orientiert sind und in Schwarz-weiß-Kategorien wie etwa gesund/krank, normal/pathologisch, ordentlich/unordentlich denken.


Vielleicht ist es ja wirklich keine schlechte Idee, wenn man sich als Psychiater erst mal auf die Couch legen muss, um die Patientenrolle auszukosten und wenigstens ein paar der eigenen Macken zu bearbeiten... Spätere Strafrichter sollte man erst mal für eine Zeit in den Knast schicken.