Gaddafi

Der Libysche Staatschef Gaddafi hat heute eine Rede vor der UN-Hauptversammlung gehalten. Als erstes hat er die UN-Charta öffentlich zerrissen, in der die Zusammensetzung des Sicherheitsrats festgelegt ist.


Ich habe keinerlei Sympathien für diesen Menschen. Aber dass er die Zusammensetzung des Sicherheitsrats kritisiert, kann ich nachvollziehen. Sie ist ein Relikt aus einer kolonialen Welt, in der "erwachsenen, reifen, guten" Regierungen für sich beanspruchten, eine größere Entscheidungskompetenz zu haben als die "kindlichen" oder "unreifen" oder "bösen" etc.


Dieses Oben-unten-Beziehungsangebot ist anachronistisch und wenig funktionell. Wenn man - wie spätestens seit dem Irak-Krieg klar sein dürfte - keine einseitige Hegemonie auf Dauer mit Gewalt etablieren kann, dann braucht man zur Befriedung und Zivilisierung der Welt eine andere Form der konfliktlösenden Hierarchie: die Schaffung einer Rechtsordnung und eines Gewaltmonopols, denen alle sich unterordnen. Auf diese Weise schafft man zwar auch ein Oben-unten-Beziehung, aber wer oben ist, wird durch Verfahren und nicht durch einseitige Gewalt definiert. Wahlverfahren sind ein Beispiel dafür, dass dies funktionieren kann.


Konsequenz für die UNO: Die Mitglieder des Sicherheitsrates müssten durch ein Verfahren bestimmt werden, dass potentiell jedem Mitgliedsstaat die Möglichkeit eröffnet, einen Sitz zu gewinnen. Was in vielen westlichen Staaten unter dem Etikett Demokratie eingeführt wurde, wird früher oder später auch auf der zwischenstaatlichen Ebene eingeführt werden müssen. Denn es ist einfach nützlich und viel billiger als Kriege...