Freisetzungen

Ein Thema, welches mir immer wieder in unterschiedlichen Kontexten Bauchschmerzen macht, ist das Thema "Personalabbau". Die englische Ausdruckweise "personnel cutback" beschreibt angemessen auch die persönlichen Auswirkungen. In Organisationen erlebe ich eine Abgestumpftheit und gleichzeitig eine grausame Ernüchterung, wenn es zu Entlassungen kommt. Und inzwischen ist fast jede Organisation davon betroffen. Wenn "cost-benefit ratios" optimiert werden, dann fliegt das Personal. Leider nicht mehr auf der Visionswolke.


In Interviews mit Personalverantwortlichen und Managern hat mich am meisten verstört, dass es keine Verantwortungsübernahme dazu mehr gibt. Klar operativ schon, wir bauen die Leute ab. Aber, wenn ich so könnte wie ich wollte, dann wäre es anders. Es sind die da oben. Das meinen allerdings auch Vorstände. Die Organisation begibt sich in eine zum Teil selbst gewählte Hilflosigkeit, individuell und kollektiv. Nicht, dass der Personalabbau zurückgedreht werden könnte, dass wäre naiv bis teilweise zynisch. Bitter in meiner Wahrnehmung ist der Umgang damit.


"Zähne zusammenbeissen und durch" oder "Vermeide jede Diskussion, distanziere Dich von der persönlichen Situation der Betroffenen" sind die Aussagen nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Kollege aus Italien bezeichnete es mal als "the dark side of the management".


Zusätzlich wird Personalabbau bei allen Beteiligten verleugnet bis zum letzten Tage. In einem großen Produktionsbetrieb in Norddeutschland ist trotz mehrmonatiger Ankündigung keine Massnahme getroffen worden, dass Thema kollektiv besprechbar zu machen. Natürlich gab es Reden des Arbeitsdirektors, aber Dialoge haben nicht stattgefunden. Jeder trägt sein Päckchen alleine, und hofft, dass der Kelch an ihm vorübergehen wird.


Und dann der große "Big-Bang", die Leute werden benannt, die entlassen werden, natürlich mit "Sozialplan". Mit den Betroffenen wird nicht mehr gesprochen, die Kollegen meiden die mit dem Makel. Es wird nur noch nach Absolution gesucht. Das Management, soweit nicht selber betroffen, möchte nicht verantwortlich gemacht werden, die Enlassenen verstecken sich hinter den Argument "die Welt ist ungerecht" oder "es war nur ein Zufall, dass es mich getroffen hat!"


Schade, solche Prozesse würden eine Chance bieten, auch wenn es zynisch klingt. Euphemismen wie "Freisetzung" überzuckern die Trauer und Wut. Dabei wäre diese besprechbar zu machen, unter anderem auch eine Möglichkeit Abschied zu nehmen. Und vielleicht weiterhin die Möglichkeit über den Sinn und die Verteilung von der Arbeit anders zu reflektieren.


Wir als Berater sollten hinschauen und uns nicht bei der Entwicklung von Führungsleitbildern an dem Thema vorbeimogeln. Denn Unternehmenskultur wird bei Personalabbau spürbar und dort auf Jahre geprägt.


Dieses ist mein letzter Beitrag zum Weg-Log gewesen. Dank an Kersten Reich für die von ihm "losgetretende" Diskussion. Sie war für mich in dieser Woche hilfreich. Nächste Woche werde ich mit Genuss und Entspannung die Einträge von dem wertschätzenden und wertgeschätzten Kollegen Thomas Keller lesen.