Frankreich/Deutschland

In der letzten Woche war ich in Frankreich. Was dort (allerdings nur einen Tag lang) im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, waren zwei Literaturpreise:


Eric Vuillard hat für seinen Roman "L'Ordre du jour" den wohl angesehensten Literaturpreis, den Prix Goncourt, erhalten, und Olivier Guez hat den Prix Renaudot für den Roman "La disparition de Josef Mengele" erhalten. Beide Romane bschäftigen sich mit der Nazizeit. Vuillard schildert den Aufstieg Hitlers, und Guez, wie der Titel sagt, das Verschwinden des KZ-Arztes Mengele, der in Auschwitz grausame Menschenversuche an KZ-Insassen unternommen hat (und in Südamerika nach dem Krieg, teilweise sogar unter seinem Namen, mehr oder weniger unbehelligt gelebt hat).


Dass die Nazizeit bzw., wahrscheinlich wichtiger noch, die beiden Weltkriege für die Franzosen auch heute noch eine so starke Bedeutung besitzen, ist in den großen Buchhandlungen zu sehen, wo etliche Regalmeter mit Kriegsliteratur gefüllt sind.


Mehr Kriegsbücher findet man nur noch in den USA - allerdings haben die noch mehr Kriege geführt, über die sich schreiben lässt.


Kriege sind - Stichwort: Außenfeind - offenbar für die nationale Identitätsbildung wichtig, oder zumindest werden sie so genutzt. Das gilt wahrscheinlich mehr für "gewonnene" Kriege (obwohl ich die Berechtigung dieses Begriffs bei Kriegen generell in Frage stelle) als für verlorene.


Was mir an der deutschen Kultur (zumindest der Nachkriegskultur) ganz gut gefällt, ist, dass sie auf die Romantisierung verangener Kriege verzichtet hat (bzw. verzichten musste aufgrund der Beschämung über das, was in deutschem Namen verbrochen wurde).


Der Brexit ist wahrscheinlich ja auch zu einem guten Teil die Folge englischer Weltkriegs-II-Nostalgie, wo den im Stechschritt ziemlich silly daher schreitenden Deutschen gezeigt wurde, wo der Hammer hängt. Denn auch in England wird erstaunlich viel Kriegsliteratur verkauft, und im Fernsehen kommen Deutsche eigentlich nur als Nazis vor.