Folter und Ignoranz

In einem Artikel der New York Times von heute wird berichtet, wie es zu der Entscheidung kam, Waterboarding beim Verhör mutmaßlicher Al Qaeda -Terroristen anzuwenden. Es ist wieder mal ein schönes Beispiel für das Phänomen, dass Gruppenprozesse - deren potentielle Intelligenz ich für großartig halte - zu vollkommen blödsinnigen und unethischen Entscheidungen führen können.


Es war - wie so oft- ein kleiner, exklusiver Kreis - Bushs engste Berater, Cheney natürlich, der CIA-Chef, aber auch demokratische Parlamentarier, Anfang 2002. Angesichts der Anschläge vom September 2001 war die Gemütslage der Entscheider panisch. Und es wurde nach Methoden gesucht, die es ermöglichen, aus den gefangenen Qaeda-Aktivisten alles nur Mögliche an Informationen herauszuholen. Dabei stiess man auf Waterboarding als eine der Trainingsmethoden der US-Army. Um die Story hier abzukürzen: Man folgerte, eine Methode, die im Training von Soldaten angewandt wird, kann nicht illegal (=Folter) sein....


Ein Beispiel dafür, dass in Organisationen (frühere) Entscheidungen als Prämissen für (gegenwärtige) Entscheidungen verwendet werden, und die Frage, wie die früheren Entscheidungen zustande kamen, keine Rolle spiel. Das führt zwangsläufig zu einem ungeheuren Maß an Ignoranz, das gefährlich werden kann, weil so die Komplexität unverantwortlich reduziert wird (auch wenn es natürlich erst mal praktisch ist und den Entscheidungsprozess verkürzt).


Im Fall des Waterboarding hätte ein wenig Recherche zutage gefördert, dass diese Methode im Zweiten Weltkrieg von den USA als Folter betrachtet wurde und deswegen Leute vors Kriegsgericht gestellt wurden. Im Koreakrieg war es von Chinesen ebenfalls angewandt worden. Deshalb wurden US-Piloten vor ihrem Einsatz darin trainiert, wie sie damit umgehen können, wenn Waterboarding an ihnen praktiziert wurde.


Und aus diesem Training wurde nun, 2002, unter Abstraktion vom Kontext gefolgert, Waterboarding sei legal.


Ein Blick in die Geschichte bzw. die reichlich vorhandenen Dokumente hätte gezeigt, dass diese Foltermethode - wie andere auch - schon deswegen nicht sehr nützlich ist, weil die so erlangten Informationen nicht sehr zuverlässig sind. Sie fördern die "Kreativität" des Opfers, das unter der Gewalt des Terrors zu konfabulieren beginnt.


Von den moralischen Schäden für die Akteure ganz zu schweigen.