Fit für 2050?

Lese gerade Meinhard Miegels "Epochenwende" (Sachbuch über mögliche Zukunftsperspektiven für die westliche Welt) Nur zwei Fakten daraus:

1. Wenn die ganze Welt den westlichen Lebensstil führt, wird es sie nicht mehr lange geben (die Welt). Denn um beispielsweise den CO2-Austoß der Deutschen zu verkraften bräuchte es 5 Erden.

2. Lange lässt sich das starke Gefälle zwischen arm und reich in der Welt nicht mhr aufrecht erhalten. Die Armen haben gelernt und lassen sich nicht unten halten. Also werden wir unseren westlichen Lebensstil irgendwie ändern müssen.


So, und wie bereiten wir unsere Jugend darauf vor? In der Schule? Na, die Praxis zeigt, dass es brav ums Berufefinden geht: Eine gute Lehrstelle und dann klappt der Rest. Es wird sich schon nicht allzuviel ändern?


Es gab natürlich auch Meinungen, die akzeptieren, dass die lebenslange Beschäftigung nicht mehr existiert und dass beispielsweise das Leben eines Förderschul-Absolventen aus lebenslanger Arbeistlosigkeit bestehen wird, allenfalls noch unterbrochen von kleinen Inseln von Beschäftigung oder vielleicht auch großen - wenn man als Katastrophenhelfer für ein halbes Jahr in ein Katastrophengebiet geht. Da ist nichts polemisches dabei. Die Wirtschaft hat schon Mitte der 90er Jahre festgestellt, dass in Zukunft für den produktiven Prozess nur noch ca. 30-60% der Menschen gebraucht werden und die andern mit einer "Mindestversorgung von Nahrung und Unterhaltung irgendwie bei Laune gehalten werden müssen."


So ist das. Und das muss man anerkennen.


So, aber was machen wir in der Schule daraus? Verschließen wir die Augen, tun so, als ob es das nicht gebe und bereiten sie auf einen Beruf vor, den sie nie ausüber werden oder haben wir den Mut, uns der fast sicheren Tatsache bevorstehender gravierender Umwälzungen (dasÖl geht auf jeden Fall aus!) zu stellen - und lehren wir den Schülern, wie man trotz Arbeistlosigkeit und ständiger Veränderung ein sinnerfülltes Leben führt?


Natürlich taucht dann die Frage auf, was ist denn Sinn? Aber warum sollten wir uns dem nicht mal wieder stellen, bevor uns der Sinn dahin gehend gedeutet wird, dass bemerken Oh hoppla, wir sind ja doch mit einer Mindesversorgung von Nahrung und Unterhaltung irgendwie bei Laune zu halten.


Sinn könnte hier ja auch bedeuten, dass man solche Veränderungen, mögen sie jetzt langsam oder schlagartig kommen, bewältigt. So kann der Ruhepol immer nur das eigene Innere sein und wie ich darauf schaue. Die Festigkeit in einer Person, die das Bewusstsein hat, dass sie aus jeder Situation was macht. Aber wie lehrt man das?


Paul Geheb, der Begründer der Odenwaldschule und er [Ecole d'Humanité](http://ecole.ch) hatte nur einen pädagogischen Grundsatz: Werde, der du bist. Trotz Aufforderung hater das nie weiter konkretisiert. Seine Nachfolger schon. (steht auf der Homepage)


Wie unterrichte ich Selbstbewusstsein? Und Selbstverantwortung vielleicht noch? Welche Position nehme ich als Lehrer dann ein? In Aufstellungsseminaren oder pädagogischen Tagen probieren wir das hin und wieder aus: Wenn ich einen Schüler (und natürlich eine Schülerin) auf die eine Seite und die Zukunft (oder auch der Staat, die Clique oder das Gesetz) auf die andere Seite stelle, mit etwas Abstand. Wo ist dann der gute Platz für den Lehrer? Sehr spannend, wenn ich das in Kollegien mache. Es führt zu anderen Gesprächen in den Kollegien.


Doch zurück wie könnte das nun aussehen, dieses "Werde, der du bist!" Wie könnte es Gestalt annehmen? Was wäre ein erster Schritt?


In seinem Dokumentarfilm "Bowling for Columbine" zeigt Michael Moore auf eine ihm gemäße Art eine Sicht auf das Schulmassaker in Littleton, als ehemalige Schüler mit Maschinenpistolen viele Menschen töteten. (Die Bilder dürften einem sofort kommen.) Viele prominente Stimmen unter den Amerikanern wussten, was man diesen Jungs alles hätte erzählen müssen, damit es nicht passiert wäre - und viele wussten auch wer ideologisch Schuld daran gewesen war, nämlich der Schockrocker Marilyn Manson. Also befragte Moore auch ihn, was er diesen Jungs erzählt hätte. Und der Schockrocker meinte: "Ich hätte ihnen überhaupt nichts erzählt. Ich hätte ihnen zugehört."


Hat mir irgendwie imponiert.