Fegefeuer

Vor etlichen Jahren (1994) fand in Köln eine Ausstellung zum Thema Himmel und Hölle statt. Im Katalog sind einige sehr interessante Erörterungen über die Beziehung beider Ort (Zustände?) und ihre Wirkung auf uns Irdische zu finden.


Zunächst galt das biblische Konzept, dass beim Jüngsten Gericht entschieden wird, wer in den Himmel oder die Hölle kommt. Das warf allerdings die Frage auf, was denn mit den armen Seelen in der Zeit bis dahin zu geschehen hatte. Denn irgendwo mußten sie ja bis zur Verhandlung verbleiben (um nicht zu sagen: gelagert werden). Es wurden nun zwei Möglichkeiten entwickelt: (1) die direkte Aufnahme in den Himmel ohne Abwarten des Jünsgten Gerichts (was Probleme der Entscheidungsfindung hinsichtlich des Urteils bzw. einer möglichen späteren Revision aufwarf). Oder aber, wenn nicht klar war,ob die Seele wirklich arm war und was mit ihr zu geschehen hatte, dann kam sie ins Fegefeuer. Hier konnte man dann durch Leiden (Feuer reinigt) eine Art Credit Points erlangen, um dann später - trotz eines sündigen Lebens - das ewige Leben zu erlangen.


Man konnte aber auch schon zu Lebzeiten die Fegefeuerzeit verkürzen, und das ist der eigentlich spannende Punkt, indem man als Sünder in seine Zukunft investierte. Man konnte der Kirche Geld geben, die dann damit all die guten Taten vollbrachte, die man unterlassen hatte (offensichtlich: hier ging es nicht um arme Seelen). So wurde im 11./12. Jahrhundert mit dem Fegefeuer nach dem Tod so etwas wie ein freiwilliges, prohylaktisches, ökonomisches, irdisches Fegefeuer erfunden.


Von beiden Fegefeuern findet sich in der Bibel nichts. Beide dienen aber raum-zeitlichen Konsistenz- wie auch Bilanzierungsbedürfnissen der Gläubigen, und nicht zu vergessen, der Kapitalbildung der Kirche.


Interessant für uns heute ist daran, dass in der christlichen Welt die Drohung mit Hölle offenbar immer schon motivierender für die Vermeidung von Sünden war als das Versprechen des Himmels. Passive Negation des Bösen vs. aktives Gutestun.


Ich frage mich immer schon, was denn alle die Leute im Himmel eigentlich die ganze Ewigkeit lang tun. Darüber wird ja wenig erzählt, und es kursieren nur wenig Gerüchte und Phantasien. Da ist der Islam mit seinen zig wartenden Jungfrauen doch von einem attraktiveren Format.


Dass Reiche sich seit Urzeiten von den Strafen für ihre Taten freikaufen konnten, ist nicht so überraschend. Dass das Spenden an caritative Einrichtungen seine Wurzeln wahrscheinlich im Ablaßhandel hat, schon eher...


(Ich danke Karsten Trebesch für den Hinweis auf die Ausstellung und den Katalog.)