Europa - Zentralisierung vs. Dezentralisierung

Seit Mitte der 80er Jahre beschäftige ich mich etwas intensiver mit Organisationen, speziell mit Unternehmen. Dabei ließ sich feststellen, dass es so etwas wie eine Oszillation zwischen zwei Modellen gab, die jeweils populär waren: Zentralisierungstendenzen wurden von Dezentralisierungstendenzen abgelöst, die ihrerseits wieder von Zentralisierungstendenzen beerbt wurden usw.


Offenbar werden jeweils die Nachteile des aktuell praktizierten Modells deutlich, so dass der Ruf nach dem gegenläufigen laut wird. Die Schlußfolgerung ist für mich, dass keines der Modell "an sich" richtig oder falsch ist, sondern beide ihre Vorzüge und Nachteile haben.


Dasselbe scheint für die Organisation des politischen Europas zu gelten. Nach einigen Jahren der Zentralisierung und den damit verbundenen Steuerungsbemühungen durch Brüssel wird wieder mehr Autonomie für die Regionen gefordert. Es gibt Unabhängigkeitsbewegungen nicht nur in England, sondern auch in Schottland, Katalonien, dem Baskenland, Bayern usw.


Wenn man mal durch die USA gereist ist, dann weiss man, dass eine der großartigen Qualitäten Europas in der Vielfalt seiner Sprachen, Kulturen, Küchen usw. besteht. Es gilt daher, eine Organisationsform für Europa zu finden, die aus diesem Oszillationsmuster heraus findet und dort, wo Zentralisierung nützlich ist, zentralisiert und dort, wo regionale Autonomie bewahrt werden muss, die Entscheidungskompetenz vor Ort lässt.


Zentral wäre z.B. die Verteidigung zu organisieren, da Luxemburg sicher keine schlagkräftige eigene Marine aufbauen kann... Auch der Schutz der EU-Außengrenze gehört m.E. dazu. Wahrscheinlich auch jede Menge an Handelsregeln.  Das müsste im Einzelnen diskutiert werden. Auf jeden Fall muss wohl das Entweder-oder zwischen Zentralisierung und De-Zentralisierung unterbrochen werden. Eine sachbezogene (!) Organisationsform, die nicht zwischen Nationalismus vs. Internationalismus oszilliert, würde den dumpfen Populisten und ihrem Vorwärts-in-die-Vergangenheit-Programm die emotionale Grundlage nehmen können. Denn diese Leute versprechen für ein erlebtes Problem eine nicht funktionierende Lösung (meines Erachtens).


Zu der Zentralisierungsfrage auch lesenswert der Artikel von W. Streeck in der Zeit (s. Link).


Quelle: Europäische Union: Ist der Brexit denn wirklich so schlimm? | ZEIT ONLINE