Erschöpfung, Männer und Frauen

Ich bin ja wirklich sehr erfreut über die intensiven Diskussionen, die mein Thema hier auslöst! Ich hatte schon Sorge, dass es für die Jahreszeit ein wenig zu heftig sei. Zu allem Gesagten aber nun noch ein weiterer Gedanke, an den mich Hr. Ochs erinnerte: Geschlechtsrollenspezifisches Verhalten und Erschöpfung. Wie Sie ja aus meiner Kurzbiographie wissen, bin ich keine Psychologin sondern Trainerin und Coach. Also habe ich eher einen sehr erfahrungsorientierten Zugang zu diesen Themen. In meiner Arbeit, ich beschäftige mich seit etwa 10 Jahren mit Themen wir Erschöpfung und Stress, stelle ich immer wieder fest, dass Männer und Frauen sehr unterschiedlich mit Überforderung und Erschöpfung umgehen.


In den zahlreichen Interviews zu meinem neuen Buch über Burnout stellte ich fest, dass alle (wirklich alle) Frauen in ein tiefes Seufzen, manchmal Brüten verfielen und danach eine Zeit lang ihre Erlebnisse und Geschichten zum Besten gaben. Keines dieser Gespräche lief unter einer Stunde. Alle Männer (bis auf einen einzigen) erklärten mir freundlich, dass sie davon schon gehört hätten. Ja, Burnout dürfte ziemlich schlimm sein. Nein, persönlich hätten sie so was noch nicht erlebt, aber sie könnten sich vorstellen, dass das ziemlich unangenehm sei...


Ein weiterer spannender Unterschied war für mich, dass auf meine Frage nach Alternativen und Handlungsoptionen zur Stressreduktion oder gar Burnoutprävention von den Frauen eher mit Teilzeitjob, Kürzungen im Lebensstandard, Verzicht auf Karriere, billiger Wohnen, die Kinder sparsamer erziehen... oder ähnlichem geantwortet wurde. Die Frauen sahen eher Gesamtkonzepte zusammenbrechen und waren bereit über eine Lebensänderung nachzudenken. Bei den Männern lag der Trend in Richtung: „Ich müsste mich wohl mehr auf meinen Beruf und weniger auf mein Privatleben konzentrieren. Womöglich würde mich scheiden lassen müssen, damit ich mehr Zeit für den Job hätte.“ Die befragten Männer wussten allesamt, wo man im Privatleben Zeit einsparen könne, damit der Stress im Job besser ausgehalten würde.


Es ist durch einige Forschungsergebnisse bekannt, dass Männer sich nicht so gern um ihre Gesundheit kümmern, aber dass meine Interviewpartner eher einen Teil des Lebens streichen, als im Job kürzer zu treten, wunderte mich. Vielleicht gibt es ja auch Frauen, die wie oben beschrieben reagieren würden, ich will da ja keine Gräben aufreissen. Aber es war keine einzige der befragten Frauen auf diese Möglichkeit gekommen, sich von ihrem Partner oder ihren Kindern zu trennen, damit mehr Zeit für den Job bliebe. Psychologen werden die Repräsentativität meiner Befragung – zurecht – nachfragen. Natürlich war meine Befragung nicht repräsentativ und wissenschaftlich nicht haltbar, aber es waren 40 intensive Interviews mit halbstandardisiertem Fragebogen, 30 Frauen und (leider fand ich nicht mehr, die dazu bereit waren) 10 Männer. Allerdings deckten sich diese mit vielen meiner Trainings- oder Coachinggesprächen.


Von Männern höre ich im Coachinggespräch häufig Sätze wie diese: „Bevor ich zugebe, dass ich erschöpft bin, bekomme ich lieber einen Herzinfarkt. Das ist fast schon wie eine Trophäe, wenn dann die Kollegen ins Spital kommen und einem gratulieren, dass man es überlebt hat, dann hat man das Gefühl, etwas geleistet zu haben, anerkannt zu werden. Wenn ich in der Psychiatrie liege mit einem Nervenzusammenbruch – da kommt keiner. ...“ und dieser Kunde ist wahrlich nicht der einzige, der mir so was erzählt.


Ich möchte ja nicht alte Klischees bemühen, aber geschlechtsrollentypisch kommt mir das schon vor. Ich wüsste wirklich gern von Lesern und Leserinnen, wie Sie das persönlich handhaben.


Wie sehen Sie, geschätzte Leser und Leserinnen dies? Sehen Sie in Ihrem Umfeld, in Ihrer Wahrnehmung auch diesen Unterschied?