Ernst von Glasersfeld

Am 12. November 2010 starb Ernst von Glasersfeld. Mit ihm verlieren wir einen der einflußreichsten (und am wenigsten Aufhebens davon machenden) Gründerväter des Konstruktivismus.


Dies soll hier kein Nachruf sein (vielleicht schreibe ich in den nächsten Tagen solch einen ausführlichen Nachruf, doch es gibt sicher Menschen, die das kompetenter machen können). Aber mir ist es ein Anliegen, ihm hier und heute - ich habe erst heute von seinem Tod erfahren - meine Achtung und meinen Dank zu bezeugen (was ich auch schon zu Lebzeiten und direkt immer mal wieder getan habe).


Ich selbst habe ihn - ich glaube, es war 1983 - auf einer von der Palo Alto-Gruppe (Paul Watzlawick, John Weakland, Dick Fisch ...) in München organisierten Tagung kennen gelernt, zu der ich auch als Referent eingeladen war. Sein südtiroler Charme, seine Weltläufigkeit, sein ungeheures Wissen, seine Gelassenheit, seine Klugheit waren unmittelbar erlebbar. Auch als junger Spund, der sich etwas gehemmt unter all diesen großen alten Männern (d.h. damals waren sie noch nicht so alt, aber ich entsprechend jünger) bewegte, fühlte ich mich immer auf Augenhöhe behandelt (wozu es von der Sache her gar keine Grund gab). Aber diese Art des freundschaftlichen Beziehungsangebots war Programm. Offen, ohne Vorurteile, ohne Dünkel.


Dass er sich gut mit Heinz von Foerster vertrug, war kein Wunder (siehe "Wie wir uns erfinden"). Die beiden waren aus ähnlichem Holz geschnitzt - oder ließen sich wenigstens gegenseitig so erfinden.


Deswegen war es auch immer ein Vergnügen mit Ernst zusammen zu arbeiten. In den 80er und 90er Jahren war er oft bei Tagungen in Heidelberg, und dabei ergaben sich auch enge persönliche Kontakte. Ein Mensch, an dem man sich orientieren konnte (und an wem kann man das schon?).


Er hatte eine dieser Karrieren, die man nicht plant: vom Skilehrer in Italien über den Schafzüchter in Irland zum psychologischen Forscher in den USA. Er prägte den Begriff "Radikaler Konstruktivismus", formulierte das Konzept der "Viabilität" von Wirklichkeitskonstruktionen. Beides zentral für den gegenwärtigen und - vorhersehbar - künftigen konstruktivistischen Diskurs...


Sein Tod ist ein Verlust.


http://www.univie.ac.at/constructivism/EvG/lectures/index.html#laval1991