Eine Fahrt ins Blaue – nichts klappert, alles klappt!

Gott sei Dank, es klappert nichts! Unser angemieteter VW Touran ist so voll bepackt mit Bücherkisten, Displays, Ordnern, Taschen, dass nichts verrutschen kann und das Auto ganz ruhig auf der Straße liegt. An einem Donnerstagmorgen um 5 Uhr (da ist es auch im Mai noch dunkel) machen wir (unsere Volontärin Dunja Fioriti und ich) uns müde, aber voller Vorfreude auf den Weg vom Verlag in Heidelberg nach Bernried am Starnberger See. Hier treffen sich 80 Aufsteller aus aller Herren Länder zum „Fifth International Intensive Workshop on Systemic Resolutions“. Während die Teilnehmer eine ganze Woche dort verbringen, werden wir zwei Tage vor Ort Bücher unseres Verlages auf einem Büchertisch präsentieren und zum Kauf anbieten.


Ein Büchertisch hat einen langen Vorlauf, der meist in zwei Etappen abläuft. Sobald wir von einer Veranstaltung erfahren, für die unsere Bücher interessant sind, stellen sich die gleichen Fragen: Wer ist der Veranstalter? Wo genau findet die Veranstaltung statt? Wie viele Teilnehmer werden erwartet? Welche unserer Bücher passen zu den angesprochenen Themen? Gibt es bereits eine Buchhandlung, die vor Ort einen Büchertisch macht? Falls ja, nehmen wir mit dieser Buchhandlung Kontakt auf und klären ab, wie viele Exemplare welchen Buches vor Ort sein sollten. Falls nein, verweisen wir auf unsere Kongressbuchhandlung Auer&Ohler, die seit Jahren ausgewiesene Erfahrung auf Kongressen hat. Wenn die Veranstaltung besonders gut zu unserem Programm passt, präsentieren wir uns als Verlag auch gerne vor Ort. Das ist der beste Weg, den persönlichen Kontakt zu unseren Lesern zu pflegen.


Wenn dann die Veranstaltung näher rückt, stellen sich neue Fragen: Wer fährt hin? Welches Hotel bietet sich für eine eventuelle Übernachtung an? Mit dem Zug oder mit dem Auto fahren? Welches Werbematerial muss mit? Welche Bücher in welcher Anzahl? Nicht zu vergessen: Locher, Tucker, Visitenkarten, Give-aways, Namensschild, Kugelschreiber, Notizpapier, Schere, Kleber usw. usw. Für all diese Dinge haben wir im Verlagskeller einen Koffer, so dass nicht jeder, der auf einen Kongress fährt, aufs Neue anfangen muss zu überlegen.


Mit all diesen Dingen ist jetzt also unser Auto beladen, als wir uns auf den Weg nach Bernried machen. So ganz langsam wird es draußen hell, und da wir zunächst Richtung Osten fahren, fahren wir direkt in die aufgehende Sonne hinein. Nach und nach präsentiert sich der Morgen strahlendblau. Noch vor der Rush hour sind wir an Stuttgart vorbei und selbst der Verkehr rund um München ist uns wohl gesonnen. Kurz nach neun erreichen wir den Starnberger See und kurze Zeit später Bernried. Das mehr als idyllische Örtchen ist so klein, dass wir schon durchgefahren sind, bevor wir wissen, wo wir hin müssen. Das Kloster Bernried, der Veranstaltungsort, liegt direkt am inzwischen in der vollen Sonne glitzernden See. An der Rezeption des Klosters, das noch immer von Benediktinerinnen bewohnt ist, begrüßt uns Schwester Margarete und weist uns den Weg. Hier dann eine Hiobsbotschaft: Der Büchertisch soll im zweiten Stock des alten Gemäuers aufgebaut werden und der Aufzug ist defekt. Ein Techniker ist zwar schon da, aber er flucht auf eine dem Ort gar nicht entsprechende Art und Weise vor sich hin, dass schnell klar wird, dass mit Abhilfe so bald nicht zu rechnen ist.


Also zu Fuß rauf mit den ganzen Büchern! Treppauf mit Karton, trepprunter ohne, treppauf, trepprunter . .. Nach dem x-ten Mal sind wir schweißgebadet und das Auto will nicht leer werden. Rettung naht in Gestalt von Walter. Walter ist ein Mitarbeiter des Veranstalters und findig. Es stellt sich heraus, dass es weiter hinten im Kloster noch einen kleinen Aufzug gibt. Mit vereinten Kräften ist dann alles oben. Tische stehen schon da, wir packen aus und richten uns ein. Gerade, als die letzte Kiste unter dem Tisch verstaut ist, beginnt die Mittagspause und der Run auf die Bücher geht los. Hunter Beaumont, der Veranstalter des Workshops, hatte die Teilnehmer von unserer Ankunft unterrichtet. Jetzt stürmen die Fragen auf uns ein: Wo ist das Buch xy? Gibt es ein Buch von abc? Was kostet dieses Buch? Kann ich mit Kreditkarte zahlen? Wie lange seid Ihr da? Dazwischen Quittungen schreiben, über den Inhalt eines Buches informieren, Teilnehmer begrüßen, die wir schon von früheren Veranstaltungen kennen. Um 14.30 Uhr beginnen die Nachmittagsworkshops, und wir können durchatmen (und ja, ich gestehe es, eine Zigarette rauchen). So ein Büchertisch läuft also quasi antizyklisch: Während die Teilnehmer frei haben, arbeiten wir. Wenn die Teilnehmer in ihren Veranstaltungen sind, füllen wir den Tisch auf, räumen eventuell um und – ruhen uns aus. Denn so ein Tag kann lang werden. Die letzte Veranstaltung an diesem Tag beginnt um 19.30 Uhr. Dann decken wir den Tisch ab und gehen in unser Hotel. Der Ort Bernried ist um diese Zeit fast menschenleer, nur am See, an dem auch wir jetzt noch einen kleinen Spaziergang machen, genießen einige den geruhsamen Frühlingsabend.


Am nächsten Morgen um halb neun sind wir wieder vor Ort. Das Spannendste an diesen Besuchen bei Veranstaltungen sind die Gespräche mit den Veranstaltern, Teilnehmern und Referenten. Wir erfahren viel über neue Projekte, bekommen Rückmeldungen zu unserem Programm und nehmen viele Ideen mit in den Verlagsalltag.


Als am Freitag spätnachmittags der letzte Workshop beginnt, packen wir ein. Und das ganz leise, um die Veranstaltungen in den angrenzenden Räumen nicht zu stören. Dank tatkräftiger Hilfe von Lutz Bessel, dem organisatorischen Leiter des Workshops, Walter und einem inzwischen wieder funktionierenden Aufzug ist das Auto in einer Stunde beladen. Und so reisen wir wieder ab, diesmal in den Westen, in die untergehende Sonne. Und da wir gut gepackt haben, klappert auch jetzt nichts.


Rita Niemann-Geiger