Ein Fragebogen zum Nobelpreis für Literatur

Nobelpreisverleihungen verführen, besonders wenn es um den Nobelpreis für Literatur geht, zur Satire, zum Schimpfen und natürlich zum Besserwissen ("Bekanntlich hat Joyce den Preis nie bekommen, während der unsägliche Hermann Hesse, von Selma Lagerlöf ganz zu schweigen, aber Tolstoi natürlich nicht..."). Zugegeben, das macht durchaus Spaß, und selbstverständlich hat man immer recht dabei, denn eine Möglichkeit, Entscheidungen narrensicher zu machen, kann es ja nicht geben.


Nun hat ihn also Harold Pinter bekommen. Erster Gedanke dazu: London scheint ihn brauchen zu können, den Preis. Der Gedanke ist genau so unsinnig oder sinnvoll, wie Assoziatives eben meist ist. Daher will ich ihm ein kleines Spiel zugesellen, einen Mini-Fragebogen, bloße Lesenotizen, gesammelt zwischen der Durchsicht einschlägiger Verlautbarungen zur Preisverleihung und der Arbeit an einem Briefroman zur Liebe und der Gewalt, in dem Fragebögen eine wesentliche Rolle spielen und der mir allmählich immer mehr als eine Art systemischer Forschung erscheint. Wohlan:


1) Einmal angenommen, Sie könnten einen neuen Nobelpreis stiften, für welche Disziplin bekäme man ihn?


2) Sollte man Nobelpreise auch ironisch vergeben (etwa: Gerhard Schröder bekommt den Nobelpreis für

Physik für seine Beiträge zur Anwendung der Fallgesetze?)


3) Sollte man einen Nobelpreis im Nachhinein aberkennen können (zum Beispiel Winston Churchill für seine Geschichte des 2. Weltkriegs?)


4) Ist ein Nobelpreis eine Ehre oder - angesichts derer, die ihn bereits bekommen haben - eher eine Peinlichkeit?


5) Wenn Sie selbst einen bekämen, welcher Nobelpreis würde zu Ihnen passen?


6) Da noch die rebellischsten Herrschaften zur Preisverleihung im Frack erscheinen - könnte man nicht eine besondere Auszeichnung einführen für diejenigen, die gegen das Protokoll verstoßen und damit riskieren, zu ihrer eigenen Preisverleihung nicht zugelassen zu werden?


7) Ist das Beherrschen von Standardtänzen eine Grundbedingung für die Preiswürdigkeit, die immer zuvor überprüft werden sollte?


8) Sollten Anti-Alkoholiker grundsätzlich von öffentlichen Ehrungen ausgeschlossen werden, da sie die joviale Grundstimmung torpedieren?


9) Ist es ein Widerspruch, wenn der Friedens-Nobelpreis unter Polizeischutz verliehen wird?


10) Da es beim Nobelpreis für Literatur nicht um das Wortkunstwerk an sich geht, sondern auch um die humanistische Gesinnung: Was geht im Zweifelsfall vor, die Gesinnung des Autors bzw.der Autorin oder ihr künstlerisches Vermögen? (Was konkret heißt: Hätte der großartige Dichter und Antisemit Ezra Pound ihn bekommen sollen? Oder doch eher der literarisch flachärschige, aber politisch mächtig saubere Johannes Mario Simmel?)