Ehre

Lange dachte ich ja, dass Ehre ein Konzept sei, das für meinen Großvater, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geboren wurde, eine Rolle gespielt haben mag, aber nicht mehr für irgendwelche Menschen im Westen heute.


Diese Sicht änderte sich, als ich mich mit der Dynamik von Kriegen beschäftigte (d.h. ein Buch dazu geschrieben habe). Denn der Hauptgrund, warum Menschen Kriege anzetteln, so das Ergebnis, ist Ehre: ihr vermeintlicher Schutz, ihre Wiederherstellung, falls sie verloren scheint usw.


Ökonomische Interessen lassen sich in der Regel leichter und preiswerter realisieren, so dass sie meist nicht reichen, um Kriege durchzusetzen. Aber der Wunsch, die eigene - z.B. nationale - Ehre zu verteidigen, lässt sich natürlich gut für andere Zwecke funktionalisieren...


In Deutschland ist meist ja nur im Zusammenhang mit Ehrmorden - also einem vormodernen Phänomen - von Ehre die Rede. In den USA ist das ganz anders (wahrscheinlich, weil hier doch vieles vormodern ist). Vor allem die militante Rechte - repräsentiert durch Fernsehmoderatoren wie Glenn Beck - wird der Fokus hier bestimmt. Er hat nun für den 28.8. eine Rally, d.h. eine Demonstration, zu der aus den ganzen USA Tausende von Teilnehmern erwartet werden, organisiert.


Ihr Motto: "Road To Restoring Honor".


Wodurch ist sie verloren gegangen? - das ist die eigentlich interessante Frage.


Auf jeden Fall gilt: Wer sich zu sehr um seine Ehre kümmert, ist in der Regel gemeingefährlich. Das sollte jeder bedenken, der sich in seiner Ehre gekränkt fühlt, und das sollte jeder bedenken, bevor er die Ehre anderer verletzt (auch wenn das alles vormoderne Muster sind).


Aber, auf politischer Ebene, ist es das auch, was die USA immer mal wieder gemeingefährlich macht...