Eckensteher

Gestern war ich auf einem Fest. Ich stand in einer Ecke, der Blick auf die vielen sich unterhaltenden Leute gerichtet. Ein Freund aus Australien stellte sich zu mir, und wir begannen unsere Eckensteher-Erfahrungen auszutauschen.


Offenbar gibt (gab?) es das kulturübergreifende Muster, Kinder in der Schule in die Ecke zu stellen - Blick zur Wand, Rücken zum Rest der ehrenwerten Gesellschaft, wenn sie irgendwas "verbrochen" haben.


Früher, als ich noch selbst in der Ecke stand, habe ich mir natürlich keine Gedanken darüber gemacht, wie solch eine Inszenierung zu deuten ist: Ein Mensch, der von der Beobachtung der anderen ausgeschlossen wird, während er von allen anderen beobachtet wird (allerdings nur von hinten, so dass seine Beiträge zur Kommunikation - Mimik, Gestik etc. - zwangsläufig auf nahezu Null reduziert sind. Doch dieser Ausschluss aus der Kommunikation wird deutlich für alle anderen kommuniziert.


Eckenstehen als rituelle Exkommunikation (in Australien manchmal stundenlang, in Deutschland habe ich es aber nie länger als bis zum Ende der Stunde erlebt.)


Gibt es das eigentlich heute noch?