Dummheit und Macht

Die Spitzelaffäre der Telekom scheint mir nicht so sehr deswegen bemerkenswert, weil hier offensichtlich ein Konzern gegen geltende Gesetze verstossen hat, sondern weil dies - da beißt die Maus keinen Faden ab - sicher nicht ohne Zustimmung der obersten Hierarchen erfolgt sein kann.


Und das lässt einen natürlich verzweifeln an unseren vermeintlichen Wirtschafts-"Eliten". Dass man so dumm sein kann und als Individuum so hoch aufsteigen kann in solch einem Laden, ist das eigentlich Erschreckende. Erklärbar scheint mir dies nur als "erworbene Dummheit". Wenn man längere Zeit der eigenen Macht ausgesetzt ist, verliert man seine Rationalität - d.h. das Gespür für angemessenes Verhalten. Man ist von Hofschranzen umgeben, die einem nach dem Munde reden und einem das Gefühl geben, "ganz toll" zu sein. Irgendwann sitzt man dem eigenen Heldenmythos auf und fühlt sich nicht mehr an die Regeln, die für andere, weltlichere Kreaturen gelten, gebunden. Und das Ergebnis ist dummes Verhalten.


Ein Leitsymptom von Dummheit scheint mir die Idee, man könne andere Menschen, ja, ein ganzes Unternehmen kontrollieren ("in den Griff bekommen"). Wer das denkt, für den muss es eine, die eigene Identität bedrohende Herausforderung sein, wenn er realisiert, dass es in seinem Laden "undichte Stellen" gibt (eine bezeichnenderweise mechanische Metapher). Und was macht man mit undichten Stellen als "verantwortungsvoller" Kapitän solch eines Hochseedampfers? Man dichtet sie ab, man versucht das "Leck" zu schließen.


Nebenbei erklärt diese Metapher, wie es zur "erworbenen Dummheit" von Top-Managern kommen kann (nicht muss - ich kenne auch andere). Wenn ein Leck abgedichtet wird, dann kommt von draußen nichts mehr rein. Man wird abgeschottet von Informationen, von der wahren Welt. Folge: das "Erich-Honecker-Syndrom". Auch die DDR-Führung hat gar nicht gemerkt, dass ihr Staat zerbröselt war, weil es ihr keiner gesagt hat.


Nicht, dass ich hier dem Geheimnisverrat oder der Illoyalität von Mitarbeitern das Wort reden will. Aber anzunehmen, man könne sie durch Machtmittel beseitigen, ist naiv. Selbst im Krieg gelingt das nur sehr selten, und da hat man es mit klaren Freund-Feind-Unterscheidungen zu tun. Bei den Lecks in Unternehmen, sind es aber meist nicht diejenigen, die der Firma schaden wollen, sondern diejenigen, die Schaden von ihr abwenden wollen...


Hier scheint mir die Idee des postheroischen Managements noch nicht angekommen zu sein.


Was aber - wenn man Freude an Paradoxien hat - die ganze Telekomangelegenheit so pikant macht, ist m.E., dass hier krumme Dinger gedreht wurden, auf die man sich als intelligenter Mensch nur einlassen sollte, wenn man sicher sein kann, dass sie geheim bleiben. Aber das war ja gerade das Problem der Telekom: dass nichts geheim blieb. In einem Unternehmen, in dem nichts geheim bleibt, sich auf etwas einzulassen, was der absoluten Geheimhaltung bedarf, ist nun wirklich ziemlich dumm.


Dummheit ist an sich ja nicht schlimm, wenn es Mechanismen gibt, sie zu begrenzen. Die Macht von Top-Managern ist heute einfach zu wenig begrenzt. Die Begrenzung von individueller Macht ist ein Kennzeichen intelligenter Systeme. Insofern sind unsere (Groß-) Unternehmen leider nicht sonderlich intelligent organisiert. Ja, sie werden immer blöder, da der Trend besteht, die Macht von CEO's nach dem amerikanischen Vorbild noch zu verstärken (siehe die vor Jahren durchgeführte Reform der Führungsstruktur der Deutschen Bank). Deswegen ist fast jede Woche von einem neuen Skandal zu lesen. Ob es die Schmiergeldzahlungen von Siemens sind, oder die Insider-Geschäfte von Herrn Forgeard...


Um es - falls das nicht aufgefallen sein sollte - zu betonen: Ich argumentiere hier nicht mit Moral, sondern mit Rationalität. Denn ich glaube, dass sie in dieser Angelegenheit das größere Veränderungspotential besitzt.