Dryout - vertrocknen wie eine Zimmerpflanze

Stressmanagement und Burnout-Prävention gehören in Unternehmen heute zum Alltagsgeschäft. Immer häufiger wird dort erkannt, dass sie sich selbst einen Gefallen tun, wenn sie Ermüdungs- und Stressreaktionen ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht in deren Privatleben zurück „delegieren“, sondern es als Bestandteil der Aus- und Weiterbildung sowie der betrieblichen Gesundheitsvorsorge integrieren. Das betriebliche Wissen um die Auswirkungen von Stress bis hin zum Burnout-Syndrom wird immer umfassender. Wenig bekannt hingegen ist eine Sichtweise für deren Impuls ich Dr. Otmar Hill danke.


Dryout – ein ergänzender Begriff der psychischen Arbeitsbelastung. Es ist dies eine Facette von Burnout. Schon Burnout-Erschöpfung ist als Thema eher ein ungeliebtes Schattenpflänzchen in der betrieblichen Wahrnehmung ist, einerseits weil es noch so wenige Zahlen und Daten dazu gibt und es damit nicht so richtig „zum Angreifen“ ist, und zum Anderen, weil es allzu unangenehm ist, sich damit auseinanderzusetzen (solange man nicht aus den verschiedensten Gründen muss).


Unter Dryout ist ein Zustand zu verstehen, als wäre die betroffene Person am „psychischen Verdursten“. Eine einstmals stattliche Pflanze, die mangels Nährstoffen und Wasser langsam in sich zusammenfällt und als trockenes Pflanzengerippe irgendwann „entsorgt“ wird. Nicht das lodernde Brennen einer Kerze an beiden Enden gleichzeitig, das die Burnout-Erschöpfung kennzeichnet, ist hier das Problem. Vielmehr das Gegenteil. Dryout zwingt Menschen zur Ruhe und zum Rückzug. Sie werden niemals gefordert oder gefördert. Wenn sie nicht ohnedies innerlich kündigen, verbrauchen sie sehr viel Energie, um die Unterforderung auszuhalten und dies häufig mit destruktivem, (selbst-)zerstörerischen Verhalten. Dryout bedeutet, dass Potential brach liegt und verkümmert. Wertvolles Humankapital – wie die Wirtschaftswissenschafterinnen das so schön nennen – verursacht Kosten und bringt nichts!


Wenn Menschen von Dryout betroffen sind, befinden sie sich möglicherweise in einer Lage, aus der sie sich nicht mehr selbst so ohne weiteres herausbewegen können. Coaching oder andere Formen von professioneller Hilfe wäre hier ein gutes Instrument. Oft ist es der betroffenen Person auch gar nicht bewusst, Verdrängung, Verleugnung und andere Formen, um der unerträglichen Situation des „Nicht-gebraucht-Werdens“ scheinbar zu entkommen, ist die klassische Reaktion.


Ebenso wie Burnout ist auch Dryout ein schleichender Prozess. Lehrer, die bereits nach den ersten Schuljahren an die Pension denken, Beamte, die aufgrund von Geschäftsplanänderungen plötzlich nur mehr einen Schreibtisch, aber keine dazugehörige Arbeit mehr finden, Frauen, die keinem Erwerbsberuf nachgehen, Arbeitslose die nach unzähligen Versuchen eine Stelle zu finden, die ihrer Ausbildung und Erfahrung gerecht wird – sich aber statt dessen mit Beraterinnen des Arbeitsamts herumschlagen müssen, die vielleicht selbst in solchen Dryout- oder Burnout-Phasen feststecken.... die Liste an Beispielen ist lang. In meiner Arbeit erlebe ich mittlerweile genauso häufig Menschen mit Burnout- wie auch Dryout-Erschöpfung.