DNA-Phantom

Das "Phantom von Heilbronn" ist ja ein schönes Beispiel für ein prinzipielles erkenntnistheoretisches Problem (wie man ja überhaupt einen guten Teil der Erkenntnistheorie an Kriminalstücken erläutern kann). Es geht um die Frage, wem ein beobachtetes (= unterschiedenes und bezeichnetes) Phänomen zuzurechnen ist: dem Beobachter bzw. dem Prozess des Beobachtens oder dem beobachteten Gegenstand, der beobachteten "Welt".


Wenn der gemeinsame Nenner von 40 Verbrechen die DNA-Spuren einer Frau sind, die jeweils am Tatort gefunden wurden, so lässt sich dies durch eine fleißige Verbrecherin erklären - und so wurde es auch in diesem Fall erklärt: eine Polizistenmörderin aus Heilbronn, die sich im Laufe der Zeit auch noch als Kleinkriminelle betätigt hat.


Was gegen diese These sprach, war, dass üblicherweise die Täter einen bestimmten modus operandi an den Tag legen und einen bestimmten Typus von Verbrechen bevorzugen. Das ist wie in anderen Professionen auch: Man findet nur wenige Menschen, die gleichzeitig als Dirigenten eines Symphonie-Orchesters und als Metzger und als Grundschullehrer und als.... arbeiten.


Diese Erfahrung hat zur Entwicklung des Berufs des "Profilers" geführt. Er analysiert den Tatort, den modus operandi, und entwickelt so ein Profil des Täters. Denn in der Art, wie man mordet, Autos klaut etc. zeigt man ziemlich viel von sich: "Zeige mir, wie du mordest, und ich sage dir, wer du bist...!"


Die alternative Erklärung für den gemeinsamen Nenner ist, dass es sich um ein Beobachterphänomen handelt, d.h. um eine Gemeinsamkeit, die durch den Prozess des Beobachtens kreiert wurde. In diesem Fall: Ein Verpackerin von Wattestäbchen, die zur Sicherung der DNA am Tatort benutzt wurden.


So deutlich und offensichtlich wie hier ist das Zurechnungsproblem des Beobachtens normalerweise leider nicht. Deswegen wird es meist auch nicht in die Reflexion der Beobachtung einbezogen (zumindest von Menschen, die keine konstruktistischen Prämissen verwenden).