Die Wut und die Wucht

Ich würde gern intelligente Sachen schreiben, aber ich fürchte, heute gelingt mir das nicht. Kann nicht einmal - was ich eigentlich wollte - eines der Sonette hier hinstellen, da ich an die Datei nicht herankomme gegenwärtig (morgen vielleicht). Ist daher eher ein bauchgeleitetes Mich-Weiter-Voranschieben, mit dem ich's versuchen will, und in das sich - maybe - einige Kommentare mit einbeziehen lassen, die inzwischen bei mir anrainten.


Stichwort "blutende Theorie". Die Wortfügung entstand in einem Text über Schmerz, in dem ich beklagte, dass wissenschaftliche Texte zum Schmerz nicht nur in der Regel das Subjekt vermissen lassen, sondern auch noch jegliche Berührtheit. Und da entstand dann die Zeile, ich fände, dass in einer Studie, die sich mit Schmerz befasst, die Wörter bluten sollten; vielleicht nicht alle, aber jedenfalls meine. Und in einem Text über den Wahnsinn sollte sich irgendwas Verrücktes finden lassen, wie eine Studie über Beziehung vielleicht irgendeine Form von Bezogenheit spüren lassen könnte.


Das alles lief wohl darauf hinaus, die Information zugunsten der Evokation zu verwerfen und mit dem Suggestiven ernst zu machen, das mir doch als Leitthema teuer war. Ja, Suggestion. Jene Größe, mit der ich als Lyriker arbeite und als Hypnotherapeut eben auch. Was ein Problem ist, da die Schere hier weit klafft - die Relevanz aktueller Dichtung fürs Emotionale ist geradezu lächerlich gering (wenn Liebende einander Innigkeiten zitieren, dann nehmen sie Songtexte oder Klassiker wie Rilke oder Brecht, aber bestimmt nichts Aktuelles), und wenn man sich suggestive Texte von HypnotherapeutInnen anschaut, dann greifen sie das Emotionale zwar natürlich auf, nehmen ihm aber in aller Regel die Wucht zugunsten eingängiger, eher besänftigter, meist auch arg klischeegeladener Bilder. Mit so etwas kann man dann einzelnen Therapiesuchenden ganz gut helfen, aber unbewusste Prozesse auf größerer, meinetwegen kultureller Ebene werden so nicht nur nicht stimuliert, auch gesunde Einzelne wenden sich hier ab, weil das alltägliche Entsetzen, das Brennen der Erotik, das Weltgrauen und die Liebesgewalt, die Wut auf die Gottheit endlich auch mit sowas nicht zu packen sind.


Was nun tun? Vielleicht eine Zwischenzone bilden, eine, die sich der suggestiven Wirksamkeit im klinischen Feld bewusst ist, aber ein Ende macht mit der Harmlosigkeit therapeutischer Suggestivprogramme. Eine Wiederbelebung der oralen Tradition der Dichtung also vielleicht, durchzogen von den Dunkelzonen des Unbewussten und bereit, die Sicherheit der Wissenschaft, die im Zeitalter der Neurowissenschaft eine Sicherheit des Hyperbanalen ist, hinter sich zu lassen. Und dann? Na, vielleicht erstmal eine Menge Blödsinn, aber jedenfalls blutvoller Blödsinn, manchmal vielleicht auch blutender...


Ich wollte gern was Intelligentes schreiben, aber wenn es das nicht geworden ist, auch recht. Einen Unmut habe ich ausgedrückt, eine Absicht damit auch kundgetan. Jene nämlich, etwas von emotionaler Wucht in den therapeutischen Diskurs zurückzuholen, wie auch von der Befremdlichkeit des Unbewussten, das ja, je weniger es beim Namen genannt und in seinen Funktionen erkannt wird, desto problematischer zu wirken unternimmt.