Die Paradoxie des Crash

Eine der verstörenden Merkwürdigkeiten sozialer Systeme ist, dass ihr Funktionieren (leider) überhaupt keinerlei Rücksicht auf Fragen der Gerechtigkeit nimmt. Das ist jetzt gut am Crash des amerikanischen Finanzsystems zu beobachten. Denn die Massnahmen, die gestern beschlossen wurden, sind (m.E.) sinnvoll, um das Weltfinanzsystem und damit die Weltwirtschaft in ruhigere Gewässer zu steuern (ob das wirklich klappt, bleibt abzuwarten, aber mir scheint dies die im Moment beste denkbare Lösung - auch und gerade wenn man mit die Vorgänge systemtheoretisch betrachtet).


Aber, das ist auch nicht zu leugnen: Es ist eine zutiefst allen Gerechtigkeitsempfindungen zuwider laufende Lösung. Denn hier werden all die Idioten, die das System an die Wand gefahren haben, aus der Haftung entlassen. Es sind diese marktfundamentalistischen Schwachköpfe, die seit Jahren behaupten, der Markt würde die beste Lösung finden, wenn man ihn denn nur ließe. Ich halte dies schon lange für Schwachsinn (s. "Gemeinsam sind wir blöd"), aber leider hat sich auch die deutsche Politik - bedrängt von einer finanzstarken Lobby - dieser Ideologie gebeugt und entsprechend versucht, auch das deutsche Wirtschaftssystem zu amerikanisieren. Das dürfte jetzt ein Ende haben... - eine positive Nebenwirkung des Crashs.


Das Problem jetzt ist, dass jede Wirtschaft auf Kredite angewiesen ist. Wenn die Banken pleite machen und keine Kredite mehr zur Verfügung gestellt werden, dann bricht auch die andere wirtschaftliche Aktivität zusammen. Dass Kredite nur dort ohne Schaden für die Gesamtwirtschaft gegeben werden können, wo sie durch Eigentum abgesichert sind (s. "Einführung in die systemische Wirtschaftstheorie" - Blog der Revue für postheroisches Management), ist das von den amerikanischen Banken verletzte Grundgesetz des Wirtschaftens. Sie haben nach dem Prinzip des Kettenbriefes ihre Kredite gegeben und anschließend weiter gereicht. Und den letzten beissen bei diesem Verfahren immer die Hunde. Denn wenn die "Sicherheiten" nichts mehr wert sind (Häuser, Aktien etc.), dann ist auch der Kredit das Papier nicht wert, auf dem er besiegelt wurde.


Jetzt springt der US-Staat ein, der diese wertlosen Kredite übernimmt, und die Kosten für diesen wertlosen Schrott werden dem Steuerzahler aufgebürdet. Der "kleine Mann" zahlt, während die "Großen" (die die tollen Typen aus de Wall-Street) ihre Gewinne, die sie bei diesem Spiel gemacht haben, behalten können.


Trotzdem gibt es wenig Alternativen, da andernfalls das Finanzsystem zusammenbricht, und dann zahlt im Zweifel der "kleine Mann" noch viel mehr... Wie gesagt: Gerecht ist das alles nicht. Aber Systeme - auch die Wirtschaft - funktionieren so, wie sie nun einmal funktionieren...


Auf jeden Fall: Märkte, vor allem Finanzmärkte, gehören geregelt.