Die negative Kraft des positiven Denkens

"Bright-Sided" heißt das neue Buch von Barbara Ehrenreich, und sie hat ihm obendrein den Untertitel "How positive thinking is undermining America" gegeben.


Ein schönes Buch, in dem sie zeigt, dass die amerikanische Obsession, alles positiv und als Chance zu sehen, schwachsinnig ist. Sie erklärt diese Erwartung als Form der Religion, die unmittelbar als Gegenbewegung zum Calvinismus der Gründerväter bzw. der frühen Einwanderergenerationen entstanden ist. Sie waren in erster Linie von der Sorge sich zu versündigen getrieben, was sie depressiv gemacht und in den Selbstmord gejagt hat.


Dass positiv Denken in vielen Situationen einfach blöd ist, unkritische Bejahung des Status quo fördert und die USA - und mit ihnen die Welt - in die Wirtschaftskrise geschubst hat, sind andere Aspekte des Buches.


Nichts gegen Lösungsorientierung. Aber aus systemischer Sicht ist die einzig einigermaßen angemessene Sicht und Bewertung die Ambivalenz (ich habe hier ja schon mehrfach dafür plädiert), das Betrachten von Kosten-Nutzen-Rechnungen...


Die positive Kraft des negativen Denkens, d.h. der Blick auf Worst-Case-Szenarien, muss einen ja nicht davon abhalten, Chancen im Leben zu sehen und wahrzunehmen. Sie schützt aber davor, blind in eigentlich vorhersehbare Löcher zu fallen - wie das z.B. die Verantwortlichen vieler Finanzinstitutionen getan haben, als sie ihr Geld in Subprime-Papiere gesteckt haben (eine andere Art des Selbstmords). Positiv Denken ist eben manchmal ein Synonym für Blödheit.


Um das Ganze mit Musik zu untermalen: "Always look at the bride (!) side of life!" (Brian am Kreuze hängend, rhythmisch dazu den Kopf bewegend).