Die Kunst des Ver-Hörens

Die gute Nachricht, zu Weihnachten werden auch Bücher verschenkt. Das ist auch bitter notwendig, bei über 8000 deutschsprachigen Neuveröffentlichungen pro Jahr. Die schlechte Nachricht (laut subjektiver Auskunft meiner Buchhändlerin) Bücher kommen in der Verkaufs-Hitliste der Weihnachtsgeschenke nach Mänteln, Drogerie und Duft, sogar nach Schmuck. Erst werden die grossen Dinge gekauft, zum Schluss noch ein paar Bücher (natürlich nicht über 30 Euro).


Und auch aus dem eigenen Kollegenkreis höre ich oft die Worte: "Bitte kein neues Buch," oder aber "das wird jetzt das letzte sein, was ich schreibe", oder aber auch von Kollegen der hilfreiche Hinweis "alles wichtige ist schon geschrieben". So ein schöne Bescherung für die Autoren der Neuerscheinungen.


Dabei gibt es so viele Bücher die unsere Welt noch braucht. Und nun mein Buchtipp:


Axel Hacke & Michael Sowa

Der weiße Neger Wumbaba

Kleines Handbuch des Verhörens


Nicht nur, dass diese Büchlein es verdient hätte im CARL_AUER Verlag zu erscheinen, allein der Titel würde es dazu qualifizieren. Weiterhin ist es ist "richtiges, echtes" Systemiker- und Konstruktivistenwerk. Es reflektiert herrlichst Wirklichkeitskonstruktionen. Ein Meisterwerk aus der wirklichen Welt, im einfachen wie im schwierigen. Der Inhalt: welche Realitäten werden erzeugt, wenn wir uns bei Liedtexten verhören.


Also eine kleine Leseprobe zum "Ver-hören":


"Kaum hatte ich aber die Geschichte der L. veröffentlicht, meldete sich bei mir die Frau E., deren Tochter immer zu weinen begann, wenn man ihr dieses Guten Abend, gute Nacht vorsang. Es war aber immer eine andere Zeile als bei der Kleinen L.; welche die Tochter der Frau E. so ängstigte, dass sie immer rief: "Du sollst aufhören, aufhören!"

Die Zeile hieß

"Morgen früh, wenn Gott will,

wirst du wieder geweckt."

Als die Mutter fragte, warum denn - um Gottes willen! - sie aufhören sollte zu singen, da stellte sich heraus, dass ihr Kind dieses Passage des weltberühmten Liedes so verstanden hatte:

"Morgen früh, wenn Gott will,

wirst du wieder gewürgt"

Diese vor dem Hintergrund, dass die Tochter einen rabiaten Sandkastenkameraden hatte, der allen anderen Kindern mit Vorliebe an den Hals ging und von den Erwachsenen gemahnt werden musste: "Hör mit dem Würgen auf!". Und sie hasste diesen Sandkastenknaben und hasste und hasste und hasste ihn. Und doch Abend für Abend, morgen früh "wenn Gott will", werde sie wieder gewürgt."


Systemtheoretisch klar und konstruktiv, im besten Wortsinne.


Zwei persönliche Anmerkungen zu meiner Erlebniswelt mit diesem Buch:


Meiner Freundin Sybille las ich einige Textpassagen vor. Trotz leichter Verstimmung an diesem Abend, brüllt sie vor Lachen. Ihr Ehemann wurde noch in der Nacht um 02.00 Uhr geweckt, von einer prustenden und kichernden Bettgenossin, die dieses Buch einfach weiterlesen musste. Vielleicht auch ein Mittel gegen die Depression, für Deutschland.


Gemeinsam mit meinem zwölfjährigem Sohn Fabian haben wir in adventlicher Stimmung einige Stellen genossen. Er lacht schon bei der Stelle "Morgen früh, wenn Gott will, wirst Du wieder geweckt?" Das fand er ultrakomisch. Wieso sollte Gott das nicht wollen???


Also auch bei diesem Buch auf Nebenwirkungen achten!


Und welche Bewandnis hat es mit dem weißen Neger Wumbaba? Buch kaufen oder ausleihen und einfach selber lesen.