Die Konstruktivität von Konflikten

Lieber Herr Simon, Lieber Herr Kirchen,


als Utopie würde ich die Konstruktivität von Konflikten nicht bezeichnen. Die Konstruktivität von Konflikten ist eine differenzlogische Tatsache. Sie liegt in der Differenz ihren zwei einander bedingenden Möglichkeiten, nämlich konstruktiv-produktiv oder/und destruktiv-produktiv zu sein. Auch in ihrer Destruktivität konstruiert sie (neue) Zusammenhänge.


Die Produktivität von Konflikten, wächst mit der Kreativität der Konfliktpartner. Die Destruktivität unter Umständen ebenso. Konfliktpartner bleibt man solange, solange man den point of no return nicht überschritten hat. Ist das einmal passiert, bewegt man sich auf gefährlichem Boden. Das irgendwie zu verhindern und auszugleichen, damit beschäftigt sich seit langem ein Heer von geschulten Leuten mit gefurchter Stirn.


Mich fasziniert die Leichtigkeit des Seins trotz seiner Strenge. Aus meiner Sicht ist es zunächst keine Frage der (moralisierend eingeforderten) Güte, des Mitgefühls, der Toleranz, der politischen Korrektheit, oder der Raffinesse, des Verhandlungsgeschicks oder einer (hypothetischen) kollektiven Intelligenz, die "man" Menschen mit offensichtlich vorhandnen Konflikten präpost eintrichtern möchte, damit eine Ruhe ist im Haus. Zuallererst ist es die Frage der je individuellen Einsicht in die differenzlogisch konditionierte Koproduktion.


Ja, da gibt es eine Einsicht, der man sich leichtsinnig öffnen kann....


Ohne Einsicht in die konditionierte Koproduktion von Konflikten kann es weder Versöhnung, noch die Möglichkeit der Besserung geben.

Konflikte sind notwendig.

Konflikte sind deswegen unvermeidbar, aber durch ihre Anerkennung und durch die gegenseitige Anerkennung, und durch paradoxe Intervention sind Konflikte, wenn alles nötige durch gestanden ist, heilbar!


Wenn es also etwas zu verbessern oder zu heilen gäbe, müssen mindestens zwei es auch wollen.


Um es zu wollen müssen sie wissen, was es ihnen bringt. Was es ihnen bringt wissen sie erst, wenn sie es deshalb wollen, weil es ihnen abgrundtief schlecht geht. Schlecht geht es ihnen erst, wenn sie bemerken, dass es in einem Konflikt nur zwei Gewinner geben kann und der offensichtliche Gewinner deshalb darauf verzichtet, einziger Gewinner zu sein.


Aus meiner Sicht bedeutet das beidseits restlos alles auf den Tisch zu legen, was den gegenseitigen Konflikt heimlich nährt.


Was da ausgesprochen wird und zu Tage kommt, müssen beide ohne Zorn und ohne Eifer anschauen, um auf diesem tiefsten Grund die win/win Situation tatsächlich einzusehen. Besser ist es natürlich, wenn man von Anfang an, also bevor es zum Konflikt kommt, win/win spielt. Aber das müssen beide erst begriffen haben.


Ich verstehe Herr Kirchen, was Sie mit dem angenehmen Gefühl meinen, das eine Utopie bei Ihnen hervorruft. Hatte ich auch mal.


Für mich ist es heute keine Utopie, sondern die persönliche Haltung der Verantwortung, gegenüber dem, was der Fall ist, die man für sich und im Dialog ständig neu erfindet, in einer Art Gehirnwäsche - vom Guten zum Besseren.


Ich habe mich sowohl über Ihr Angebot Herr Simon (Sie wollen wohl die -Kehrwoche loswerden?), als auch über die spontane Reaktion von Ihnen Herr Kirchen sehr gefreut und darüber nachgedacht, wie das wohl wäre hier im Weblog zu mehreren an einem Buch über die Produktivität von Konflikten beziehungsweise über produktive Konflikte zu arbeiten. Für mich ist klar, dass das für mich momentan nicht funktioniert, dass ich keine Zeit dafür aufbringen kann und dass ich über zukünftiges ungelegtes nicht nachdenke. Aber vielleicht ja andere?


Herausfordernd, bewegend, anregend und der Mühe wert bleibt das Thema für mich. Und selbstredend die Praxis: Konflikte, musste ich harmoniesüchtes, dickköpfiges Geschöpf lernen, sind unvermeidbar. Man darf die Nerven nicht verlieren, muss nicht verzweifeln und sollte sich im Konflikt keinesfalls wegwerfen. Man benötigt Langmut. Der Lohn, sich einem Konflikt zu stellen, sich in einen bestehenden Konflikt einzulassen, statt ihn zu vermeiden, ihn auszuhalten und ihn durchzustehen, liegt in einem gestärkten Selbstverständnis und in geläuterten, gereinigten Beziehungen. Das habe ich durchaus ausprobiert. Sich so engagiert dem Anderen zu geben, gibt ihm Bedeutung, einem selbst Gelassenheit, lässt die Welt in einem neuen Licht erscheinen, weil man sie sich dadurch anders macht. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen.


Ich bin astrologischer Zwilling. Der politisch nicht korrekte geflügelte Hermes ist mein innerer Stichwortgeber. Da kann ich tun, was ich will, er setzt sich durch. Rein zufällig treffen dessen kolportierte Eigenschaften auf mich zu. Deswegen reizen mich offenbar Tabus, welche ja Konflikte unter dem Teppich halten sollen. Sie leben von unserer schrecklichen Erschrockenheit, uns an das Ungewisse hinzugeben. Sie leben von unserem mangelnden Vertrauen in uns selbst – und in den Anderen. Solange wir auf Tabus und Waffen bauen, um uns vor Angriffen zu schützen wird die Welt nicht besser und nicht sicherer. Für keinen einzigen Menschen. Damit aufhören kann nur jeder selbst – b ei sich selbst - indem er seine Konflikte anschaut und sich ihnen stellt. Aber da sage ich Ihnen ja eh nichts Neues.


Ich verabschiede mich vorerst, da ich morgen nach Wien fahre. Ich beschnuppere und knuddle Valerie Mathilde Hermine meine neugeborene Enkeltochter. Für meinen 5 jährigen Enkelsohn Severin lasse ich am Montag eine Super-Schaukel errichten, auf der auch größere und vor allem auch ganz große Kinder ein Lebens lang schaukeln können. Währenddessen wird mein Pro-P-book hoffentlich geliefert. Mein altes bleibt vor Ort, und mein Computerfachmann installiert es, worauf ich mich dann, hinsichtlich Geschwindigkeit und Kapazität und Brillanz schon irre freue. Immerhin hatte ich meinen Mac G3, mit Aufrüstung und Wechsel auf OSX, 6 Jahre klaglos in Betrieb. Ziemlich lange nicht? Herzliche Grüße Sylvia Taraba