Die Eskalation im Gehirn

Liebe Frau Taraba, liebe Mitlesende


Nachdem ich mich heute einen langen Tag in meiner Arbeitswelt herumgeschlagen habe, erlaube ich mir anstelle eines neuen Blogeintrags einen Kommentar zu Ihrem Kommentar, Frau Taraba, zu schreiben. Mich erinnerte in Ihrem Einwurf viel an die transklassiche Logik von Gotthard Günther, der – auch Philosoph – einen teils sehr ähnlichen Standpunkt vertrat wie Sie: Nämlich sich nicht einzulassen auf ein „entweder – oder“ oder ein anmaßendes „tertium non datur“, sondern statt dessen vielleicht auch einen derartigen Dualismus zurückzuweisen als eine nicht legitime Unterscheidung und natürlich als kaum verhüllter Machtanspruch. „Entweder du bist für mich oder gegen mich“. Heinz von Foerster hat in derartigen Zusammenhängen ja auch immer darauf hingewiesen, diese Aussagen auf deren Sprecher zurückzubeziehen. Keine Sorge, ich werde das nun sicherlich nicht auf Sie beziehen, sondern eher eine weitere Reflektionsschleife damit einzuläuten versuchen.


Denn ich machte dasselbe, was alle tun, wenn sie recht haben wollen: sie „objektivieren“ und dann kommt es dazu, dass ich eine Eigenlogik der Konflikte behauptete, die so nicht sein muss: „Offensichtlich müssen Konflikte immer eskalieren“ - woher ich das wohl weiss? Natürlich steckt die die gute alte Eskalations- und Gleichgewichtskybernetik dahinter, mit ihren klassischen und einfachen Modellen, die sicherlich ihre Bedeutung haben, aber dennoch sehr starke Vereinfachungen darstellen. Also, ein Modell steckt, dahinter, dass eine bestimmte Wirklichkeit abbilden sollte und dieses Modell wird nun dazu genutzt, der Wirklichkeit ihre Struktur vorzuschreiben. Das ist natürlich absurd. Immerhin aber bin ich hier nicht allein (das ist nicht als Entschuldigung gemeint). In den 50er Jahren baute man Computer in eben jener Weise, wie man sich das Gehirn vorstellte und heute erzählt uns die Hirnforschung zuweilen ganz ernsthaft, unser Gehirn funktionierte wie ein Computer.


Mit männlich und weiblich haben Sie übrigens meines Erachtens sicherlich häufig recht, mir würde es allerdings zu kurz erscheinen, mich damit zufrieden zu geben, alles in diesem „binären Code“ abzubilden. Die Wurzel allen Übels darin zu erkennen, erscheint mir zu viel der Reduktion, auch was unser soziales Miteinander anbelangt. Ihr Hinweis auf die inneren Konflikte und die Kriege sind übrigens, glaube ich, sogar hinreichend aktenkundig geworden: Es scheint eine klassische politische Strategie zu sein, bei innenpolitischen Problemen außenpolitischen Ärger anzuzetteln. Damit könnte man schon wieder bei Bush sein und beim amerikanischen Ritual regelmässiger Kriege, aber man kann damit auch harmlos eine Wahl gewinnen wie der gute Schröder vor drei Jahren.


Ob aber das Ignorieren nun aber wirklich hilft, ist schon eine Frage. Manchmal hab ich auch den Impuls zu sagen, lass doch die Störenfriede ihren Strauß austragen und dann haben sie wieder Ruhe. Aber immerhin gehts – auch im Privaten – schnell mal um mehr als bloß ein blaues Auge. Und nicht hingucken? Ist doch eine erprobte Strategie, die die Welt der Aggression am Laufen erhält. Aber ich bin da vielleicht auch nicht ganz fair zu Ihren Aussagen.


Danke übrigens an die hilfreiche Mitteilung per Email: wie nah man doch zuweilen finden kann, was man noch gar nicht richtig zu suchen begonnen hat. Ich hätte anstelle der Frage nach systemischer Friedensforschung auch erfolgreich auf den Verlagsseiten von Carl Auer fündig werden können. Nun, mea culpa. Das kommt davon, wenn man zwischen einem Berufsalltag, der im Leiten einer Bereichsbibliothek besteht und freizeitlichem Buchschreiben kaum mehr zum Lesen kommt. Schade darum. Morgen werde ich den Tag leider unterwegs verbringen müssen und daher vermutlich leider nicht zum Schreiben kommen.