Demokratie-Abbau

Wahrscheinlich bin ich ja nur ein wenig sentimental, aber ich finde es schmerzlich zu sehen, wie an vielen Stellen der Welt systematisch demokratische Strukturen abgebaut werden. In der Türkei diskutiert das Parlament über eine Verfassungsreform, um seine eigene Macht zu beschneiden, in Polen hat die PiS den Staat schon weitgehend übernommen (obwohl es noch Widerstand gibt), in den USA missachtet der gewählte Präsident lang bewährte Traditionen des demokratischen Systems und macht sich daran, die USA wie einen Familienbetrieb zu führen...


Ich bin ja - zugegeben - auch oft unglücklich über Wahlentscheidungen. Aber bislang, so scheint mir, haben sich in der Geschichte demokratische Strukturen als ziemlich intelligent erwiesen. Da wird immer mal wieder ein Idiot oder machtgeiler Narziß zum Präsidenten gewählt, aber das System von Checks-and-Balances, das in Amerika erfunden wurde und zum Muster der immer ein wenig variierten, aber im Prinzip doch bewährten Gewaltenteilung wurde, blieb erhalten.


Das ist es, was im Moment zur Debatte gestellt wird. An seine Stelle wird das Modell der amerikanischen Unternehmensführung mit einem starken, mehr oder weniger unumschränkt herrschenden CEO gesetzt, der gute Deals macht. Doch dieses, auf die Genialität des Führers ("Charisma") setzende Modell hat sich nicht einmal im Bereich von Unternehmen bewährt. Es hat zur Pleite vieler einstmals großer Unternehmen geführt. Das deutsche Modell der Mitbestimmung hingegen, war weit erfolgreicher, weil in Bezug auf die Zukunft eben keiner "im Urin spürt", wohin sie sich tatsächlich entwickeln wird.


Das Prinzip der Gewaltenteilung (zu dem auch als vierte Gewalt eine freie Presse gehört - und damit meine ich nicht die Leute, die das Internet mit ihren Verschwörungstheorien vollmüllen, sondern recherchierende Journalisten, die ihr Handwerk gelernt haben) hat den Vorteil, dass es fehlerfreundlich ist. Wenn deutlich wird, dass eine Parteil etwas versprochen hat, was sie nicht halten kann, dann wird sie eben abgewählt: ein neues Spiel, ein neues Glück.


Dieses Risiko wollen Leute wie die PiS und Erdogan nicht eingehen. Solange sie noch einen guten Ruf haben, versuchen sie die Spielregeln so zu ändern, dass sie auch dann nicht mehr von der Macht zu trennen sind, wenn sich ihr Scheitern zeigt. Damit verliert das politische System seine Intelligenz...


Hoffnung gibt allerdings, dass idiotische Systeme nur eine begrenzte Lebensdauer haben, da sie die sich früher oder später entwickelnden Gegenbewegungen nicht auf Dauer unter Kontrolle halten können. Aber es kann eine Zeit dauern bis dahin, und sie können dann schon ziemlich viel Schaden angerichtet haben... (vor allem, wenn sie um den internen Widerstand zu verhindern, Konflikte mit irgendwelchen Außenfeinden beginnen).