Das Grube-Paradox

Herr Grube, unser aller Bahnvorstand, wandelt mal wieder auf den Spuren seines Mentors und Vorgängers, Hartmut Mehdorn.


Anlass ist das Projekt Stuttgart 21. Er bzw. die Organisation, deren Entscheidungen er zu vertreten hat (Deutsche Bahn), ist in einen Konflikt mit einer großen Zahl Stuttgarter Bürger verwickelt, die es für keine sonderlich gute Idee halten, den Bahnhof ihrer Stadt in der geplanten Weise umzubauen.


Wenn Herr Grube gestern Abend in einer öffentlichen Veranstaltung Kund gibt, dass es keinen Baustopp geben wird, so verkennt er offenbar die Lage. Denn er ist in der Beziehung zur Öffentlichkeit in keiner Position, wo er (früher einmal getroffene) Entscheidungen durchsetzen könnte. Das könnte er wahrescheinlich nicht einmal innerhalb seiner Organisation, obwohl es dort zu den allgemein akzeptierten Spielregeln gehört, dass man tut (oder wenigsten so tut, als ob man tut), was an der Spitze beschlossen wurde.


Der Öffentlichkeit gegenüber hat Herr Grube keinerlei Autorität oder Macht. Er kann sich sicherlich auf geschlossene Verträge und das geltende Recht berufen, aber das werden Andere auch tun (z.B. die Schützer irgendwelcher Käfer). Und gerichtliche Entscheidungen können sehr, sehr lange auf sich warten lassen.


Er ist also im Prinzip auf Kooperation und Akzeptanz seines Projektes durch die Stuttgarter Bevölkerung angewiesen.


Wenn er in eine Schlichtung geht, deren Ergebnis er vorab festlegen will, so hat er nicht verstanden, dass solche Konflikte nur gelöst werden können, indem man sich auf einen ergebnisoffenen Vermittlungsprozess auf Augenhöhe einläßt. Dort kann man dann seine Interessen vertreten und sehen, welche mehr oder weniger faulen Kompromisse man aushandeln kann, mit denen dann alle mehr oder weniger gut leben können.


Wer auf jeden Fall ein bestimmtes Ergebnis dieses Prozesses sicher stellen will, wird es mit ziemlicher Sicherheit nicht erreichen - das Grube-Paradox. Es sei denn, er kann "durchregieren" - was Herr Grube ja nicht mal innerhalb seines Unternehmens ohne weiteres kann, da es immer noch Eigentum der Bundesbürger ist und auch Vorstandsvorsitzende nicht mehr als eine gehobene Form der Lohndiender sind.


Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich habe zu Stutgart 21 noch keine Meinung, da ich mich in der Sache nicht wirklich gut genug informiert habe. Mich interessiert nur der Konflikt-Prozess, der jetzt gerade zu beobachten ist. Schließlich sind solche Konflikte aus systemischer Sicht ja kein Teufelszeug, sondern sie folgen einer relativ einfachen Logik.