Das Ende der biologischen Psychiatrie

Wenn man das Buch von R. Whitaker "Anatomy Of An Epidemic" zu Ende liest, dann werden einem noch die destruktiven Wirkungen der Psychopharmaka-Therapie (in ihrer Langzeitversion) bei bipolaren Störungen und die erschütternden Wirkungen von Ritalin und anderen Stimulantien bei ADHS präsentiert.


Der Schluss, der sich für mich logisch ergibt: Man muss die Langzeitmedikation mit Psychopharmaka verbieten. Sie ist einfach ein Verbrechen.


Während z.B. früher die Patienten mit einer bipolaren Symptomatik in den Zeiten zwischen den Phasen ein normales Leben führten, zeigen sie jetzt massive kognitive Defekte usw. Folge der den Hirnstoffwechsel durcheinander bringenden Wirkungen der Medikamente.


Wenn man die Zahlen sieht, die der Autor zusammen getragen hat, dann erweist sich die Main-Stream-Psychiatrie als ein einziges Marktentwicklungs-Projekt der Pharmaindustrie. Auf der Strecke bleiben dabei die Patienten. Der Preis ist ungeheuerlich, der individuell und gesellschaftlich bezahlt werden muss.


Das Modell der biologischen Psychiatrie ist in der Logik seiner Entwicklung ja durchaus nachvollziehbar. Es entspringt auf der einen Seite dem Wunsch der Psychiater, Ärzte wie andere zu sein, die ihr Wissen und ihre Autorität aus den Naturwissenschaften ableiten. Dabei ist dieses Modell ja nicht einmal für die Organmedizin tragfähig, denn die Arzt-Patienten-Beziehung läßt sich nicht naturwissenschaftlich definieren - und Heilung auch nur begrenzt. Auf der anderen Seite ist der Wunsch der Angehörigen, von Schuld an den psychischen Problemen ihrer Lieben entlastet zu werden, die Grundlage der Popularität biologischer Modelle. Von den wirtschaftlichen Interessen der Pharmaindustrie will ich hier gar nicht sprechen.


Und die soziale Wirkung der flächendeckenden Medikation ist, dass Menschen, die stören ("Plussymptomatik"), nicht mehr stören (z.B. Kinder in der Schule), weil sie nun eine "Minussymptomatik" aufweisen.


Ein Skandal. Das Problem ist, dass auch in Deutschland alle nach Amerika schauen. Denn dort ist diese Praxis der Ruhigstellung von Störern das unbestrittene Mittel der Wahl.


(In den USA werden den Kindern drei Mal so viel Ritalin und andere Stimulantien verordnet wie allen restlichen Kindern auf der Welt zusammen. Aber die USA sind ja eh auf dem absteigenden Ast... )


Doch Bücher wie das genannte, geben Hoffnung. Denn die meisten Psychiater sind ja weder bösartig noch dumm. Auch wenn die verwendeten Modell dumm sind. Und wenn erst die Öffentlichkeit einmal aufmerksam wird auf die gestiegenen Patienten-Zahlen, die Chronifizierung, die Schwachsinnigkeit der Erklärungen,vor allem aber die volkswirtschaftlichen Kosten, dann dürfte sich das Pendel wieder weg von der Hirnstoffwechselmythologie bewegen...


Allerdings bin ich mir bewußt, dass Totgesagte lange leben - vor allem wenn nur ich es bin, der sie für tot erklärt...