Das Elend ökonomischer Prognosen

Zum Jahresbeginn kann man wieder eine Vielzahl von Vorhersagen lesen, wie sich die Wirtschaft im kommenden Jahr entwickeln wird. Die meisten (eigentlich alle) kann man ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, in die Tonne hauen (was ich persönlich nicht tue). Sie haben bei weitem nicht die Zuverlässigkeit von Wettervorhersagen.


Der Grund dafür ist m.E., dass sie sich (bzw. diejenigen, die sie erstellen) für Wettervorhersagen halten. Doch das sind sie keineswegs. Denn in Bezug auf das Wetter lassen sich Computermodelle mit harten Daten füttern und Trends berechnen. So ähnlich verfahren auch die Ökonomen. Sie haben Modelle, geben - vermeintlich objektive - Daten ein und rechnen dann los. Doch das ist Quatsch. Die Wirtschaft verhält sich nicht so wie die Modelle unterstellen, weil Menschen sich nicht so verhalten, wie die Modelle unterstellen.


Die Erklärung für das Scheitern der Modelle, das die betroffenen Ökonomen liefern, lautet: "Wir haben die Irrationalität der Menschen nicht einkalkuliert."


Der prinzipielle Fehler solcher Modelle ist aber nicht, dass sie von einem rational kalkulierenden und entscheidenden Menschen ausgehen, sondern dass sie meinen, sie könnten diese Rationalität definieren. Menschen entscheiden rational, nur folgt eben jeder seiner eigenen (z.B. familiären oder persönlichen oder religiösen oder, oder...) Rationalität. Es gibt eben im Leben immer mehr Aspekte, die in Entscheidungen einzubeziehen sind als Kosten und Nutzen im Sinne der in Geldbeträgen zu zahlenden oder zu erhaltenden Preise.


Ein zweiter prinzipieller Fehler - und der scheint mir noch gravierender bzw. auf einer logisch höheren Ebene zu verorten - ist, dass diese ökonomischen Modelle versuchen Wirtschaftiche Prozesse durch die Summe individueller Entscheidungen zu erklären. Doch - und in der Beziehung scheinen mir die lieben Kollegen ziemlich ignorant - Wirtschaft ist ein Kommunikationssystem. Es lässt sich viel besser durch die Logik von Kommunikationsprozessen als durch die Logik psychischer Entscheidungsprozesse erklären (darum ist auch die ganze Neuroökonomie Nonsense).


Um ein banales, in der Wirtschaftstheorie gelegentlich verwendetes Beispiel zu verwenden: Es setzt sich am Markt nicht die "beste Mausefalle" durch. Das ist Quatsch. Es setzt sich die durch, die am bekanntesten ist - und diese Bekanntheit ist ein selbstverstärkender Prozesse. "Der Teufel scheisst immer auf den größten Haufen", heißt es in der Bibel, und das gilt nicht nur als Grundgesetz der Marktwirtschaft, sondern aller Selektionsprozesse, die an Kommunikation gebunden sind. Was nicht in die Aufmerksamkeit der Kommunikation kommt, existiert sozial nicht. Erst wenn diese Gesetzmäßigkeit in die Computermodelle der Ökonomen eingbebaut wird, dürften die Vorhersagen der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung besser werden.


Die Wettervorhersage hat einfach den großen Vorteil, dass sie sich nicht mit der Frage beschäftigen muss, wie kommunizierte Meinungen, Phantasien und Ideologien, wie Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen des Wetters das Wetter beeinflussen.