Clement muss mal austreten

Die taz hatte heute die Schlagzeile "Clement schließt SPD aus".


Das scheint mir gut getroffen. Offenbar hält der ehemalige Superminister sich für so wichtig - und wahrscheinlich ist er es ja auch -, dass er die SPD zu strafen meint, wenn er sie verlässt.


Ich will hier jetzt nicht über die Eitelkeiten von Politikern philosophieren, sondern mich stattdessen mit dem Phänomen des "Austritts" beschäftigen. Denn irgendwo auszutreten ist ja mehr als nur das Verlassen eines Raumes. Es ist - oder kann sein - ein symbolischer Akt. Die Kündigung der Zugehörigkeit, der Loyalitätsverpflichtung, die Abgrenzung der eigenen Identität, die Demonstration des Nicht-mehr-Dazugehörens.


Der erste Punkt, der mir wichtig erscheint, ist, dass man erst mal Eintreten muss, wenn man austreten will. Beides erfordert eine bewusste Entscheidung. Aus seiner Herkunftsfamilie kann man z.B. nicht wirklich erfolgreich austreten, da man auch nicht eingetreten ist. Man kann den Kontakt kappen etc., aber man bleibt Familienmitglied. Ganz anders als bei Parteien oder anderen psychotherapeutischen Fachgesellschaften. Hier ist die Mitgliedschaft nicht selbstverständlich. Man kommt nicht unbedingt rein, es will auch nicht jeder rein, und über den Zutritt entscheidet in der Regel nicht nur derjenige, der dort Mitglied werden will, sondern auch diejenigen, die schon dazu gehören.


Die Zugangskriterien sind dabei meist ideeller Art, Geld allein reicht z.B. nicht, um Mitglied einer Fakultät zu werden. Das ist ein Unterschied zur ca. zweistündigen Mitgliedschaft der Gemeinschaft von Kinobesuchern. Hier kauft man sich das Recht der Teilnahmen.


Wo ideelle Kriterien entscheiden, da geht es um mehr als nur Dabeisein. Es geht um die Identität der Beteiligten, und das heißt, die Frage: Bedroht der Hinzukommende die persönliche Identität derer, die schon da sind? Stützt er sie? Macht er ihnen Ehre oder Schande? usw. Und auf der anderen Seite heißt das für jeden Einzelnen: Ist es mit dem Gefühl meiner persönlichen Identität vereinbar, zu solch einem Verein zu gehören?


Es mag sicher auch viel mit Opportunismus zu tun haben, sich in derartige Gesellschaft(en) zu begeben, aber es ist immer mit dem Risiko verbunden, dass einem als Individuum zugerechnet wird, wofür die jeweilige soziale Einheit steht. Das war bei den NSDAP-Parteimitgliedern nach Ende des 3. Reiches gut zu studieren.


Irgendwo auszutreten, ist also manchmal ein notwendiger Akt, wenn man sich selbst treu bleiben will. Dass das bei Wolfgang Clement der Fall war, scheint mir zweifelhaft.


Aus meiner Sicht hätte er ja schon zu seiner Zeit als Superminister aus der SPD austreten müssen. Eine gute Begründung wäre gewesen: "Zu einer Partei, die Leute wie mich (bzw. mit meiner politischen Ausrichtung) zum Superminister macht, will ich nicht gehören!" Aber, wenn er solch eine Begründung gegeben hätte, wäre er jetzt wahrscheinlich nicht ausgetreten. Es ist ja die Begründung, die der Links-Partei zu vielen Eintritten verholfen hat.