Chinesische Familien

Zur Zeit lese ich ein chinesisches Buch, das bereits 1936 erschienen ist: "Die Familie" von Ba Jin.


Es handelt etwa 1920, in einer Phase als China auf der einen Seite noch fest in den traditionellen feudalen Schemata gefangen war, zum anderen der Kontakt mit westlichen Ideen und Autoren dazu führte, dass die Jugend emanzipatorische Tendenzen entwickelte.


Was mich an diesem Roman - wie auch an viel älteren, klassischen Romanen wie etwa dem aus den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts stammenden "Traum der Roten Kammer" - beeindruckt, ist die strikte Hierarchie innerhalb der Familien, vor allem aber die untergeordnete Rolle der Frauen. Ihnen wurden ja nicht nur die Füße verstümmelt, so dass sie buchstäblich nicht weglaufen konnten, sondern sie wurden letztlich nicht als Menschen mit eigenen Willen, Wünschen oder Rechten behandelt. Sie hatten sich der herrschenden, patriachalischen Ordnung zu unterwerfen. Das galt - wenn auch weniger vollständig - im Prinzip auch für jüngere Männer gegenüber ihren Vätern und Großvätern. Für die gab es allerdings die Perspektive, irgendwann später selbst in der Hierarchie in diese Autoritätsrolle zu gelangen. Frauen hatten da keine Chance. Wenn sie Dienstboten waren und weiblich, dann konnten sie sogar nach Belieben ihres Herrn verkauft oder verschenkt werden - an andere Herren natürlich.


Das über die Jahrhunderte konstante Phänomen dabei war - und das hielt sich bis in jüngst Zeit -, dass Frauen, die mit ihrem Schicksal nicht zufrieden waren, sich entweder umbrachten oder (psychisch bedingt) starben. Das schildern diese Romane eindrücklich.


Ein Musterbeispiel für die Kopplung psychischer und sozialer Systeme und die Auswirkungen, wenn die sozialen Strukturen starr und unveränderlich sind. Folge ist für das Individuum die Alternative Anpassung oder Tod, denn außerhalb des sozialen Systems gibt es keine Überlebensmöglichkeiten für den Einzelnen. Hier kann durch die Auflösung traditioneller Strukturen, die mit der Ökonomisierung der Gesellschaft (Geld als Steuerungsmedium) verbunden ist, ein immenser Freiraum für das Individuum gewonnen werden. Einer ihre positiven Effekte, die nicht unter den Tisch fallen sollten...


Was immer die Revolution 1949 noch bewirkt haben mag, ein Verdienst scheint unstreitbar: Die gesetzliche Definition von Mann und Frau als gleich vor dem Gesetz. Das hatte/hat weitreichende Folgen. Heute sind Frauen z.B. in fast allen Berufen zu finden, auch wenn es sicher immer noch jede Menge an faktischen Ungleichbehandlungen gibt (wie ja auch in Westeuropa).