Chinesen

Gerade jetzt, wo alle Welt auf China blickt und versucht, das olympische Feuer auszupusten, ist eines meiner Bücher ("Radikale Marktwirtschaft") auf Chinesisch erschienen. Und ich frage mich jetzt natürlich, was wohl der Dalai Lama von mir denken mag...


Man hat als Autor ja nicht viele Möglichkeiten, auf die Publikation seiner Bücher in fremden Sprachen Einfluss zu nehmen. Ja, man kann die Veröffentlichung verbieten. Aber das macht nur Sinn, wenn wirklich jemand auf die Idee kommt, so ein Buch zu übersetzen und zu drucken. Das ist aber eher die Ausnahme, wenn man nicht Stephen King heisst. Ausserdem ist die Eitelkeit des Autors ja meist auch gross genug, sich zu freuen, wenn am anderen Welt ein eigener Text gelesen wird, als dass man sich vom Argument, Menschenrechte würden missachtet etc., beeinflussen lassen würde. Zu anrührend ist der Gedanke, dass der eigene Text - in wunderbaren chinesischen Schriftzeichen gedruckt - in einem einsamen (!) Studierzimmer in Urumtschi von einem nachdenklichen, aber begeisterten Leser "verschlungen" wird.


Da Publikationen deutscher Autoren in fremden Sprachen eh unwahrscheinlich sind, stellt sich also die Frage nach einem Boykott nicht wirklich. Viel eher geht es darum herauszufinden, warum es überhaupt publiziert wird.


Was motiviert wohl einen chinesischen Verlag dazu, dieses Buch zu übersetzen und zu drucken. Das sind ja immerhin Investitionen, die sich auch in China rechnen müssen. Irgendwas am Inhalt muss für Chinesen interessant und an ihr Denken anschlussfähig sein. Vielleicht haben sie sich auch nur durch den Titel täuschen lassen - aber dann hätten sie es nach der Übersetzung wahrscheinlich nicht gedruckt.


Ich nehme die Tatsache, dass die "Radikale Marktwirtschaft" in China publiziert wurde, als ein Indiz dafür, dass der Inhalt eigentlich taoistisch ist. Vielleicht sollte man es aus dem Chinesischen zurück ins Deutsche übersetzen und dann überprüfen, ob die Wuwei-Tendenz systemischen Denkens stärker heraus kommt. Ich vermute einfach, dass auch die chinesischen Übersetzer die Aspekte eines Textes verstärken, die zu ihren eigenen Ansichten und Prämissen passen, und die im Widerspruch dazu in ihrer Bedeutung reduzieren oder weg lassen, wie das die deutschen Übersetzer auch tun.


Der Irrtum könnte allerdings sein, dass die Chinesen irgendetwas mit dem Taoismus am Hut haben...